Wirtschaftswachstum, positive Bevölkerungsdynamik, innovative Entwicklungen: Der „verlorene“ Kontinent Afrika wird zu einem Gewinner des 21. Jahrhunderts.
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In Afrika liegt die Wiege der Menschheit. Der weise, zur Einsicht fähige Mensch (Homo sapiens) stammt gemäß der Out-of-Africa-Theorie aus der Gegend des heutigen Äthiopien, von wo die Nachkommen der Ur-Eva vor 150.000 bis 200.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung die Welt eroberten. In Afrika begründeten die Ägypter eine der ersten Hochkulturen der Menschheit, deren bis zu 4.500 Jahre alte Grabstätten auch im 21. Jahrhundert noch Staunen und Faszination hervorrufen. Die alten Pharaonen besaßen auch bereits riesige Büchersammlungen in Form von Papyrusrollen, lange bevor das Römische Reich etwas Ähnliches vorzuweisen hatte. In der berühmten Bibliothek von Alexandria lagerte Mitte des dritten Jahrhunderts vor Christus ein Buchbestand von 490.000 bis 700.000 Papyri, entsprechend 80.000 bis 150.000 modernen Bänden mittleren Umfangs.
Werden Unser Bild vom zweitgrößten Kontinent der Welt wird sich schnell ändern Deutsche heute nach ihren Assoziationen zum Stichwort Afrika befragt, denken sie in der Regel nicht an den Ursprung der Menschheit oder an Hochkultur. Laut einer Umfrage von tns emnid aus dem Jahr 2010 sind die Assoziationen, die mit Afrika verbunden werden, Hunger (47 Prozent), Aids (10 Prozent) und Korruption (8 Prozent). Die einzigen positiv oder zumindest neutral besetzten Assoziationen waren Fußball mit 10 Prozent und Safari mit 8 Prozent. Eine aktuelle Erhebung dürfte mit den politischen Krisen in der Sahelregion und den Umwälzungen in Nordafrika ähnliche Ergebnisse hervorbringen. Und doch sollten wir uns darauf einstellen, dass sich unser Bild vom zweitgrößten Kontinent der Welt schnell ändern wird.
Löwenstaaten auf dem Sprung
Afrika erhebt sich. Knapp über 50 Jahre nachdem die meisten Länder von ihren europäischen Kolonisatoren in die Unabhängigkeit entlassen wurden, wird Afrika politisch stetig stabiler. Über 99 Prozent der afrikanischen Bevölkerung leben heute in Frieden – immer mehr davon in gefestigten Demokratien. Wo friedliche Machtwechsel nach Wahlen immer häufiger zur Regel werden, ist es nur konsequent, dass Afrikaner, mit Ausnahme der Menschen in den Staaten des Arabischen Frühlings, zu großen Teilen positiv oder sehr positiv in die Zukunft blicken.
Der Kontinent entwickelt sich auch wirtschaftlich rasant. Das McKinsey Global Institute schrieb im Jahr 2010 in einer vielbeachteten Studie, Afrikas Löwenstaaten stünden vor dem Sprung in eine neue Ära. Von der Weltöffentlichkeit häufig unbeachtet, schreiben die Löwen schon seit geraumer Zeit ökonomische Erfolgsgeschichten, welche auch die Weltbank im Jahr 2011 zu der These verleiteten, Afrika stünde vor einem ökonomischen Takeoff, vergleichbar mit dem Chinas vor 30 und dem Indiens vor 20 Jahren. Auch der renommierte britische Economist titelte 2011, ebenso wie das Time Magazine 2012, „Africa rising“ – zehn Jahre nach einer Titelgeschichte über Afrika, den hoffnungslosen Kontinent.
Die Vermutung liegt nahe, dass die langfristigen und übergreifenden Transformationsprozesse, an deren Anfang der afrikanische Kontinent steht, Afrika am Ende zu einem Gewinner Ein Erfolg Afrikas wird auch Europas Erfolg sein des 21. Jahrhunderts machen werden. Nicht nur weil der zweitgrößte Kontinent der Welt Europas Nachbar ist – an der engsten Stelle der Straße von Gibraltar trennen die zwei Kontinente gerade einmal 14.000 Meter –, sollten wir genauer verfolgen, wie sich Afrika verändert. Ohne Zweifel sind weiterhin bestehende politische und wirtschaftliche Probleme Afrikas auch Europas Probleme – allein durch die geographische Nähe der beiden Kontinente. Ein Erfolg Afrikas hingegen wird auch Europas Erfolg sein.
Was also hat es mit Afrika im 21. Jahrhundert auf sich und wie erfindet sich der Kontinent neu? Welche Transformationsprozesse durchläuft der Kontinent derzeit und was ist noch zu erwarten?
Afrikas demographische Dividende
Demographisch gehört dem afrikanischen Kontinent unbestreitbar die Zukunft. Anders als in vielen Teilen der Welt, wo der Megatrend Alterung Gesellschaften gravierend verändert, vergrößert und verjüngt sich Afrikas Bevölkerung konsequent. Während das Boom-Land China zum Anfang des 21. Jahrhunderts seinen Bevölkerungs-Peak bereits erreicht hat und Europa und Japan in eine Zukunft mit einer reifer werdenden und – ohne Zuwanderung – schrumpfenden Gesellschaft folgt, wird sich die Bevölkerung der 54 afrikanischen Staaten von aktuell rund einer Milliarde bis zum Jahr 2040 auf 1,9 Milliarden fast verdoppeln. Anfang des 22. Jahrhunderts wird sich der Anteil der Bevölkerung Afrikas an der Weltbevölkerung nach Prognosen der Vereinten Nationen gar von aktuell rund 14 Prozent auf 35,3 Prozent gesteigert haben, während der Anteil Europas an der Weltbevölkerung von rund 11 Prozent heute auf 6,7 Prozent gesunken sein wird.
Welch dramatische Auswirkungen die afrikanische Fertilität auf die Bevölkerungsstruktur unserer Erde hat, zeigt auch die Übersicht der Verteilung der Menschen im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren unter den großen Weltregionen. Im letzten Drittel des 21. Jahrhunderts wird diese Bevölkerungsgruppe in jeder Weltregion abnehmen. Außer in Afrika. Nigerias Bevölkerung wird von aktuell rund 167 Millionen bis zum Jahr 2040 auf prognostizierte 320 Millionen gestiegen sein.
Das Wachstumsversprechen
Nigeria in Westafrika, Kenia in Ostafrika sowie Südafrika sind die Wachstumszentren Afrikas südlich der Sahara. Nach Jahrzehnten, die davon geprägt waren, die Folgen von Kolonisation, Entkolonialisierung und Kaltem Krieg zu verarbeiten, schwingen sich Afrikas Löwenstaaten heute auf, um die Basis gesellschaftlichen Wohlstands zu schaffen. Die Löwenstaaten stehen an der Spitze einer Reihe von Ländern, die mit Hilfe von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank bis zum Herbst 2010 umfassend entschuldet worden sind und deren Brutto-Staatsverschuldung auf derart niedrigem Niveau liegt, wie es in den USA, in vielen Staaten Europas und Japan nicht mehr erreichbar scheint. Nigerias Verschuldungsquote liegt nach Berechnungen des IWF bei 14,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die Währungsreserven stiegen in 2012 um satte 32,98 Prozent auf knapp 50 Milliarden US-Dollar.
Ein von der Regierung Ende 2012 aufgelegter Staatsfonds, in den ein Teil der Öleinnahmen fließen soll, wird es dem Land ermöglichen, seine Verschuldung in den nächsten Jahren weiter zu senken. Nimmt man gar die Netto- Staatsverschuldung als Kennzahl (also Brutto-Staatsverschuldung abzüglich aller Vermögenswerte), wird Nigeria bald ein Netto-Sparer und kein Schuldenstaat mehr sein. Zum Vergleich: Die Netto-Staatsverschuldung der USA liegt in Anfang 2013 bei 87,6 Prozent des Bruttosozialprodukts, die Deutschlands bei 57,5 Prozent und die unseres Nachbarn Frankreich bei 85,5 Prozent.
Besonders erstaunlich und derzeit kaum vorstellbar: Geht man von einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent jährlich im Euroraum und, wie die afrikanische Entwicklungsbank, von 5,5 Prozent in Afrika aus (der IWF erwartet auf dem Kontinent bis 2017 ein durchschnittliches Wachstum von 8 Prozent), so wird in 50 Jahren das Bruttosozialprodukt in Afrika höher sein als das des Euroraums.
Die Mega-Urbanisierung
Afrikas Menschen zieht es in die Städte. Die rapide Expansion urbaner Lebensräume ist eine der jetzt schon sichtbarsten Konsequenzen des hohen Bevölkerungswachstums und der ökonomischen Erfolgsgeschichten in Afrika. Die Megacitys bieten die Aussicht auf Wohlstand und Veränderung Ghana wurde über Nacht zu einem Land mit Middle Income Status und gehören zu den am schnellsten wachsenden Metropolregionen der Welt. So wird schon in weniger als zehn Jahren der Anteil der städtischen Bevölkerung in vielen Ländern Afrikas bei über 50 Prozent liegen. In absoluten Zahlen werden das 800 Millionen Menschen sein – zehnmal so viele, wie Deutschland Einwohner hat. Bis 2025 werden 73 afrikanische Städte eine Einwohnerzahl von über 1,5 Millionen haben (im Vergleich zu rund 40 heute), und 2030 werden nach Prognosen von McKinsey die 18 größten Städte Afrikas Konsumausgaben in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar generieren. Johannesburg (Südafrika), Lagos (Nigeria), Nairobi (Kenia), Accra (Ghana) und Luanda (Angola) sind die Brückenköpfe des neuen Wohlstands auf dem Kontinent. Sie ziehen einen Großteil der Direktinvestitionen an und bieten den Menschen eine sich rasant verbessernde kommerzielle Infra-struktur sowie stabile politische Rahmenbedingungen.
Ein Beispiel für den raschen Wandel, den afrikanische Metropolregionen durchlaufen, ist das Megaprojekt EKO ATLANTIC CITY, vorangetrieben vom Gouverneur des nigerianischen Bundesstaats Lagos und Clinton-Award-Preisträger Babatunde Fashola. Ab 2016 soll die neue, dem Meer abgetrotzte Stadt Lebens- und Wirtschaftszentrum für 400.000 Menschen in der 20-Millionen-Einwohner- Metropole Lagos werden. EKO ATLANTIC wird dann alles bieten, was man von einer Stadt des 21. Jahrhunderts erwartet. Angefangen von großzügigen und grünen Ruhezonen, bis zu einem erstklassig ausgebauten öffentlichen Nahverkehrssystem. Verwundern sollten solche Investitionen nicht, denn die Anzahl der Haushalte in Lagos, die heute schon mehr als 5.000 US-Dollar jährlich für den Konsum ausgeben können, entspricht der Anzahl von Einwohnern in kleinen europäischen Ländern wie Dänemark, Finnland oder Irland. Das Bruttosozialprodukt Johannesburgs in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar liegt in etwa gleichauf mit dem Münchens.
Ade Dritte Welt - Hallo Mittelklasse!
Afrika wird nicht über Nacht zu einer Oase des Wohlstands werden. Eines sollte man sich allerdings abgewöhnen, wenn man künftig über Afrikas Volkswirtschaften spricht: Der Begriff „Dritte Welt“, ohnehin eine politische Wortkreation aus der Zeit des Kalten Krieges, sollte für Afrika endgültig obsolet sein. Zwar ist der Kontinent nach Pro-Kopf- Einkommen noch immer die ärmste aller Weltregionen – das Beispiel Lagos steht jedoch exemplarisch für eine ganze Reihe von Regionen, die sich unbestreitbar weg von Armutsgesellschaften hin zu Gesellschaften mit einer immer breiter werdenden Mittelklasse entwickeln.
Nach Berechnungen der afrikanischen Entwicklungsbank stieg die Zahl der Menschen, die in Afrika zur Mittelklasse zählen, von 111 Millionen im Jahr 1980 auf 313 Millionen im Jahr 2010 – entsprechend 34,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Großteil des Konsums verteilt sich auf die Länder Algerien, Angola, Ägypten, Ghana, Kenia, der Handel zwischen Afrika und dem Rest der Welt hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdreifacht Marokko, Nigeria, Südafrika, Sudan und Tunesien, die im Jahr 2011 81 Prozent der afrikanischen Ausgaben auf sich zogen. Den stärksten Konsumzuwachs unter den nächsten zehn aufstrebenden Volkswirtschaften hat das häufig einzig als Hungerland wahrgenommene Äthiopien mit einer Bevölkerung von 80 Millionen und einem jährlichen Wirtschaftswachstum von gut zehn Prozent. Auch der Handel zwischen Afrika und dem Rest der Welt hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdreifacht. Seit dem Jahr 2005 zieht Afrika mehr Direktinvestitionen als Entwicklungshilfe an, und das mit stark steigender Tendenz.
Die Entdeckung des afrikanischen Konsumenten
Während im Jahr 2000 weniger als ein Prozent aller globalen Direktinvestitionen in Afrika landeten, waren es 2011 schon 2,8 Prozent. In absoluten Zahlen haben sich die Investitionen auf dem Kontinent in den Jahren 2000 bis 2008 versechsfacht, um dann als Folge der globalen Finanzkrise leicht zurückzugehen. Laut neuesten Prognosen der Welthandelsorganisation UNCTAD wird sich die Höhe ausländischer Direktinvestitionen, die nach Afrika fließen, bis 2014 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln (2011: 42,7 Mrd. US-Dollar). Der Nahrungsmittelriese Nestlé beispielsweise hat nach eigenen Angaben in den Jahren 2011 und 2012 jeweils rund eine Milliarde US-Dollar, über 20 Prozent seiner globalen Gesamtinvestitionen, in die Expansion seines Afrika-Geschäfts gesteckt und unterhält mittlerweile 29 Produktionsstätten auf dem Kontinent.
SABMiller, der weltweit zweitgrößte Bierbrauer, plant in Afrika über die nächsten fünf Jahre Investitionen von 2,5 Milliarden US-Dollar zu tätigen. Die logische Konsequenz aus einem zweistelligen Absatzwachstum in 2011 und 2012. Auch der Getränkeriese Diageo mit seinen Marken Guinness, Baileys, Johnnie Walker, Smirnoff, Captain Morgan und Co. vermeldete jüngst einen neuen Rekordumsatz für das Geschäftsjahr 2012. Der größte Teil des Wachstums von Absatz und Profit stammt aus den sogenannten Entwicklungsländern. Verkäufe in Afrika stiegen um zehn Prozent auf 880 Millionen Euro. Der Absatz von Johnnie Walker Blended Scotch Whisky stieg beispielsweise um sagenhafte 38 Prozent. Bis zum Jahr 2015 plant das Unternehmen die Hälfte seiner Profite in den Emerging Markets zu erzielen.
Auch Volkswagenchef Martin Winterkorn ließ im Januar 2013 verlauten, künftig verstärkt auf Wachstum in Afrika zu setzen. Ein Schritt, der nur logisch erscheint, wenn man weiß, dass der französische Konkurrent Renault im Dezember angekündigt hat, in Algerien einen Produktionsstandort mit einer Kapazität von 75.000 Autos im Jahr zu errichten und dass der Konzern bereits im Februar 2012 eine neue Produktionsstätte für 400.000 Autos im Jahr in Marokko in Betrieb genommen hat. Auch der US-amerikanische Einzelhandelsriese Wal-Mart expandiert in Afrika und kaufte für 2,4 Milliarden US-Dollar in Südafrika den Konkurrenten Massmart. Der Pharmariese GlaxoSmithKline hat 2012 angekündigt, 1 Milliarde US-Dollar in seine afrikanischen und indischen Produktionsstandorte zu investieren. Die Aufzählung ließe sich noch lange fortführen.
Die Renditegarantie
Das starke Wirtschaftswachstum und die größer werdende Zahl der Konsumenten in Afrika hat in den letzten Jahren auch immer mehr institutionelle Anleger angelockt. Gerade die Aktienmärkte, an denen ja bekanntlich die Zukunft gehandelt wird, spiegeln dies wider. Die letzten zwölf Monate bis Mitte Februar 2013 ist Nigerias All Share Index um fast 70 Prozent gestiegen, der Kenias um 46 Prozent und der Südafrikas um 21 Prozent. Selbst der EGX 30 Index des politisch instabilen Ägypten ist in den letzten zwölf Monaten um 19 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Der Leitindex DAX der boomenden deutschen Wirtschaft schaffte in den letzten zwölf Monaten immerhin ein Plus von 15 Prozent, der US-amerikanische Dow Jones Index stieg im gleichen Zeitraum um 9 Prozent. Ausdruck des gestiegenen Vertrauens in Afrikas Volkswirtschaften ist auch die Aufnahme nigerianischer Staatsanleihen der Megatrend Mobilität sowie das Thema Energieversorgung treffen auch Afrika in den JP Morgan Government Bond Index for Emerging Markets im August 2012. Seit der Ankündigung der Maßnahme sind die Refinanzierungskosten Nigerias um über fünf Prozent gesunken.
Musterschüler-Qualitäten bescheinigen die Rating-Agenturen S&P und Moody’s dem im südlichen Afrika gelegenen Botswana, derzeit das einzige afrikanische Land mit einem A-Rating. Während der Ausblick der Rating-Agenturen für Länder wie die USA, Japan und weite Teile des Euroraums negativ ist, bewerten die Agenturen den Ausblick für Länder wie eben Botswana, Kamerun, Ghana oder Kenia als stabil. Einzig die Aussichten für die Staaten des Arabischen Frühlings sowie das reformbedürftige Südafrika sind aktuell etwas eingetrübt.
Das Wachstum zieht umfangreiche Veränderungen nach sich – der Megatrend Mobilität sowie das Thema Energieversorgung treffen auch Afrika. Im Bereich grundlegender Infrastruktur sind auf Jahre hinaus gute Geschäfte für Investoren zu erwarten. Nach Angaben von Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank besteht auf dem ganzen Kontinent aktuell ein jährlicher Investitionsbedarf von bis zu 100 Milliarden US-Dollar: in den Sektoren Strom (Erzeugung und Bereitstellung), Transport (Straßen, Häfen, Schiene), Krankenhäuser und Schulen.
Besonders interessiert sind internationale Unternehmen derzeit an Investitionen in Nigerias Energiesektor. Nachdem das Land 2012 weite Teile der bestehenden Kraftwerks- und Netzinfrastruktur privatisiert hat, haben zum Beispiel der deutsche Siemens-Konzern sowie das US-amerikanische Unternehmen General Electric die Absicht erklärt, mehrere Milliarden US-Dollar in den weit unter Bedarf produzierenden Stromsektor zu investieren, ebenso wie die chinesische Sinohydro, die bis 2014 zwei Mega-Wasserkraftwerke in dem Land bauen wird.
Das Programme for Infrastructure Development in Africa (PIDA) von Afrikanischer Union, Vereinten Nationen und Afrikanischer Entwicklungsbank ist ein Ansatz, das Infrastruktur-Defizit in Afrika zu beheben und den Kontinent fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Dazu sollen bis 2020 knapp 68 Milliarden US-Dollar und bis 2040 insgesamt über 360 Milliarden US-Dollar in grundlegende Infrastruktur investiert werden. Geplant sind unter anderem Investitionen in das Trans African Highway Network, regenerative Energien sowie Informations- und Telekommunikationstechnologie.
Der Connectivity-Kontinent
Die rasanteste Entwicklung durchläuft Afrika dank der Investitionen multinationaler Telefonkonzerne im Bereich Informationstechnologie. 2010 kaufte der indische Telefonkonzern Bharti Airtel für 10,7 Milliarden US-Dollar das afrikanische Telefonnetz der kuwaitischen Zain Telecom, und die südafrikanische MTN hat über 10 Milliarden US-Dollar in ihr Nigeria-Geschäft investiert, wo das Unternehmen mittlerweile 45 Millionen Kunden hat. Für das Geschäftsjahr 2012 hat Vodacom, die afrikanische Tochter des britischen Telefonriesen Vodafone, erstmals einen höheren Gewinn ausgewiesen als Vodafone im Heimatmarkt Großbritannien.
Internationale Telekom-Konzerne haben in den letzten Jahren zudem große Summen aufgebracht, um Afrikas Teilhabe am Internet besser und schneller zu machen. Das aktuell letzte Projekt dieser Art ist das 10.000 Kilometer lange South Atlantic Express-Kabel (SAex) von Südafrika nach Brasilien, dessen Fertigstellung für das zweite Quartal 2013 avisiert ist. Insgesamt beläuft sich das Investitionsvolumen der letzten Jahre in afrikanische Tiefseekabel auf weit über fünf Milliarden US-Dollar. Für 2014 ist die Inbetriebnahme weiterer drei Unterseekabel mit mehreren Tausend Gigabit Kapazität geplant, darunter die Kabel WASACE South (Brasilien – Nigeria), WASACE Africa (Nigeria – Angola – Südafrika) sowie das 34.000 Kilometer lange BRICS Cable, an dem sich der Suchmaschinengigant Google mit bis zu 1,5 Milliarden US-Dollar beteiligen will.
Mobile Only
Afrika ist ein Mobile-only-Kontinent. Weit über 50 Prozent der afrikanischen Internetnutzer surfen heute schon über das Handy im Netz, die Ratio der Verkäufe von PCs und Smartphones beträgt eins zu vier. Afrikaner nutzen das Web auf Smart Devices oder ganz simpel auf Zwei-Zoll-Bildschirmen via SMS. Google beispielsweise bietet seinen E-Mail-Dienst Gmail für Afrikaner seit Ende 2012 auch als SMS-Version an. Sichtbarstes äußeres Merkmal des Connectivity-Trends in Afrika ist die hohe Anzahl von Mobilfunkmasten bis hin in ländlichste Gebiete. Während es im Jahr 2000 gerade einmal 17 Millionen Mobiltelefonanschlüsse gab (entsprechend zwei Prozent der afrikanischen Bevölkerung), erreichte die Anzahl der Mobiltelefonanschlüsse nach Angaben der Experten von ABI Research zum Ende des dritten Quartals 2012 die Zahl von 821 Millionen aktiven Verbindungen. Bis zum Jahr 2020 wird jeder Afrikaner statistisch 1,14 Mobiltelefone besitzen, das Netzwerkunternehmen Cisco erwartet einen Anstieg des globalen mobilen Datenverkehrs bis 2017 um das Dreizehnfache, mit den Wachstumspolen in Afrika und dem Nahen Osten.
50 Prozent der urbanen Bevölkerung nutzen regelmäßig das Internet – eine mit Brasilien und China vergleichbare Rate. Da ist es nur logisch, dass sich in Afrika Hightech-orientierte Geschäftsmodelle derzeit rasend schnell entwickeln. Während etwa die Mobile Economy gerade in Sachen Geld bei uns noch in den Kinderschuhen steckt, tätigen viele Afrikaner heute schon ganz selbstverständlich Bankgeschäfte oder bezahlen ihre Stromrechnung per Telefon. Nach Prognosen des Marktforschungsinstituts Gartner wird Mobile Money bis zum Jahr 2016 global eine 617-Milliarden-Dollar-Industrie.
Von den 171 Milliarden US-Dollar, die schon 2012 über mobile Transaktionen umgesetzt wurden, sind 80 Prozent in Ostafrika getätigt worden. Ein besonderes Auge sollte man zukünftig auch auf das am 23. Januar 2013 der Öffentlichkeit präsentierte Projekt Koza Techno City legen. Als Teil des Entwicklungs-Masterplans Kenya Vision 2030 sollen hier auf 2000 Hektar eine neue, hochmoderne Stadt und 100.000 neue Jobs im Bereich Informationstechnologie geschaffen werden.
Hightech aus der Savanne
Überhaupt ist Kenia das Epizentrum der mobilen (R)Evolution in Afrika. 47 Prozent der Menschen dort surfen nach McKinsey-Angaben täglich im Netz, fast doppelt so viel wie die Rate von 26 Prozent für Gesamt-Afrika. Kenia ist auch weltweiter Vorreiter in Sachen Mobile Money. Schon 2007 führten die Mobilfunkfirma Safaricom und Vodafone dort die virtuelle Währung M-Pesa („M“ für Mobile und „Pesa“ für Bargeld) für die Abwicklung von grundlegenden Funktionen des Geldtransfers und des privaten bargeldlosen Zahlungsverkehrs via PIN und SMS ein. Mittlerweile zahlen nach Safaricom-Angaben über 15 Millionen Kenianer mit diesem Dienst und wickeln Geldgeschäfte, vom Bezahlen des Taxis bis hin zur Begleichung der Krankenhausrechnung, im Gegenwert von 31 Prozent des Bruttosozialprodukts ab. Seit November 2012 ist es Kenianern auch möglich, via M-Shwari Geld über das Handy anzulegen oder Kredite aufzunehmen. Safaricom ist heute der größte Steuerzahler des Landes. In Tansania ist der M-Pesa seit 2008 verfügbar und wird von über neun Millionen Menschen genutzt. Im September 2010 startete der Dienst in Südafrika und im November 2011 in Indien.
Kontinent ohne Bargeld
Bargeldloser Geldverkehr könnte auch helfen, der in Afrika noch immer weit verbreiteten Korruption Herr zu werden. So plant der im Jahr 2010 von der Financial Times zum Central Bank Governor of the Year gekürte nigerianische Zentralbank-Chef Lamido Sanusi, auch in Nigeria Bargeld weitestgehend aus dem Wirtschaftskreislauf zu verbannen. Nachdem der Testlauf zur sogenannten Cashless Economy in der Megacity Lagos zufriedenstellend verlaufen ist – dort konnte die Zahl von Point-of-Sales Terminals in 2012 von 5000 auf 150.000 gesteigert werden –, soll das Projekt jetzt auf die Hauptstadt Abuja sowie einer Reihe anderer nigerianischer Großstädte ausgedehnt werden. Uganda und Zimbabwe bemühen sich ebenfalls, den Weg in eine Post-Cash Economy zu gehen.
Sehr erfolgreich entwickelt sich auch das Online-Filmgeschäft im vor 13 Jahren geborenen nigerianischen Hollywood-Pendant Nollywood. Bis zu 2400 Filmtitel jährlich werden hier produziert und damit 250 Millionen US-Dollar Umsatz generiert. Der nigerianische Jungunternehmer und Millionär Jason Njoku hat für diesen Markt in 2010 mit iROKOtv ein afrikanisches Netflix gegründet. Das Unternehmen bietet für fünf US-Dollar im Monat schon über 5000 Nollywood-Filme on demand und war 2012 schon geschätzte 30 Millionen Dollar wert. Auch entstehen derzeit mehr und mehr E-Commerce-Handelsplattformen, die aufgrund der Abwesenheit von Amazon oder Groupon auf dem afrikanischen Kontinent Platz zur Entfaltung haben. Beispiele für die Aufbruchsstimmung im afrikanischen E-Business sind zahlreich: Ahonya.com, das sich selbst als das Amazon Ghanas beschreibt und eine breite Palette von Elektronikartikeln verkauft, Kalahari. com, das jüngst einen eigenen E-Book- Reader und Store veröffentlichte, ebenso wie der nigerianische Amazon-Klon Jumia.com. Der Kontinent will shoppen.
Afrika erfindet sich neu
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stehen die Löwenstaaten Afrikas auf dem Sprung in eine neue und hoffnungsvolle Zukunft. Der Kontinent erfindet sich neu und wird dabei auch von uns neu entdeckt. Viele Menschen haben in den letzten Jahren den Weg aus der Armut hinein in die Mittelklasse schon geschafft. Viele weitere werden folgen. Mit dem steigenden Wohlstand und der Zuversicht, Back to Africa im 21. Jahrhundert ist die lang erwartete afrikanische Renaissance dass die Zukunft Besseres bringen wird als die Vergangenheit, können die Menschen sich auf ihre Herkunft zurückbesinnen und ihre Zukunft neu schreiben. Back to Africa im 21. Jahrhundert ist die lang erwartete afrikanische Renaissance. Menschen wie der bescheidene Entrepreneur und Philanthrop Aliko Dangote, der mit einem Vermögen von 11,2 Milliarden US-Dollar als reichster Mann Afrikas gilt, haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Kontinent von innen heraus zu erneuern. Dangote füttert mit seinen Konzernen das afrikanische Wachstum. Er investiert in Zement, Zucker, Mehl und Energie, in Ausbildung und leistet Nothilfe.
Out of Africa im 21. Jahrhundert bedeutet ein selbstbewusstes Auftreten des Afrikanischen in der Welt. Immer mehr afrikanische Unternehmen werden zu Global Playern werden. Neben den Platzhirschen, wie der vor 150 Jahren in Südafrika gegründeten SABMiller, sind das Unternehmen wie Dangote oder der pan-afrikanische Energiekonzern Oando des Selfmade-Milliardärs Adewale Tinubu. Sein Unternehmen ist in Nigeria, Südafrika und Kanada an der Börse gelistet und hat 2012 für Aufsehen gesorgt, als es das Nigeria-Geschäft des Ölmultis ConocoPhillips für 1,8 Milliarden US-Dollar erwarb. Der südafrikanische Sasol-Konzern hat jüngst angekündigt, 14 Milliarden US-Dollar in eine Gasverflüssigungsanlage in Louisiana, USA, investieren zu wollen.
Mode-Mekka Lagos: Fashion made in Africa
Die Neuerfindung Afrikas spiegelt sich schlussendlich auch in der Mode wider. Dem Zeitgeist entsprechend, hat sich eine eigene afrikanische Modeszene entwickelt, die in der 2011 zum ersten Mal stattgefundenen Lagos Fashion and Design Week ein Mekka gefunden hat. Die afrikanische Modewoche in Lagos ist in kürzester Zeit zu einem festen Termin im globalen Modezirkus geworden und inspiriert heute auch die internationale Kundschaft. Bei der dritten Edition der Show in 2012 haben sich zum Beispiel die Modeprofis von MyTheresa.com anregen lassen und planen zukünftig auch afrikanische Designer in ihr Lieferprogramm mit aufzunehmen. Der Trend zu Made in Africa spiegelt sich auch in der Vielzahl neuer afrikanischer Modewochen wider. Die Africa Fashion Week London, die Africa Fashion Weeks in Los Angeles und New York sowie der in 2013 erstmals stattfindende Africa Fashion Day Berlin sind Vorboten und Ausdruck des Zeitgeistes des Out of Africa im 21. Jahrhundert.