„Makerspaces“, „Hackerspaces“, „Innovations- und Kreativlabore“: Experimentelle Orte des Selber- und Zusammenproduzierens sind Vorboten einer neuen, nachhaltigeren Ökonomie.
Von Arno Simons (09/2015)
„Makerspaces“, „Hackerspaces“, „Innovations- und Kreativlabore“: Experimentelle Orte des Selber- und Zusammenproduzierens sind Vorboten einer neuen, nachhaltigeren Ökonomie.
Von Arno Simons (09/2015)
Welche Potenziale haben offene Werkstätten für die Wirtschaft der nächsten Gesellschaft? Verschiedene gesellschaftliche Akteure – von Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Parteien, Verbänden und Unternehmen bis zu Städten, Kommunen und natürlich den „Makern“ selbst – verbinden mit dem Phänomen offene Werkstätten unterschiedliche Perspektiven und Interessen. So werden offene Werkstätten unter anderem als Treiber von Innovation, als Labore für die Erprobung alternativer Lebensmodelle, als Bildungsstätten für benachteiligte Gruppen oder sogar als soziale Bewegung gesehen.
Allerdings gibt es auch mindestens zwei verbindende Elemente: Erstens, die positive Betonung von Offenheit in ihren verschiedenen Ausprägungen. Zweitens, die Erkenntnis, dass offene Werkstätten im Kontext eines sich transformierenden Produktionsregimes zu betrachten sind. Längst sprechen Beobachter von einer neuen „industriellen Revolution“, weg von der Massenproduktion hin zu einer dezentralen und offenen, dabei zugleich nachhaltigeren, „kollaborativen Ökonomie“. Offene Werkstätten verorten sich als Kristallisierungspunkte dieser Entwicklung. Denn sie dienen immer auch als „Reallabore“ für neue Formen des Miteinander-Arbeitens und -Lebens.
Richtig aufgestellt, können offene Werkstätten einen transformativen Beitrag in Richtung „Postwachstumsgesellschaft“ leisten. Während „grünes Wachstum“ auf Effizienz setzt, betont „Postwachstum“ Suffizienz. Es geht also weniger um den Versuch, bei gleichbleibendem Verhalten ressourceneffizienter zu agieren, als vielmehr darum, einen radikalen Wandel von Einstellungen und Verhaltensweisen herbeizuführen, sodass am Ende viel weniger produziert und konsumiert werden muss. Dafür braucht es Pioniere des Wandels, die mit gutem Beispiel vorangehen.
Offene Werkstätten können solche Pioniere sein, wie das „Berliner Lastenrad-Netzwerk für nachhaltige Entwicklung“ (BLN) verdeutlicht. Das BLN unterstützt den Eigenbau von Lastenrädern aus Alt-Rädern und andere Restmaterialien und ist dazu sowohl online als auch vor Ort präsent, mittels eines zur Werkstatt umgerüsteten Containers in Berlin Treptow. Auf diese Weise vereint die offene Werkstatt Aspekte des Re- und Upcyclings, der projektorientierten kollaborativen Produktion und der postfossilen Mobilität.
Doch Postwachstum beinhaltet auch die Suche nach neuen Formen des sozialen Miteinanders. Besonderes Augenmerk gebührt hierbei der Kultivierung von „Commons-based Peer Production“ (CBPP), also des kollaborativen Produzierens unter Gleichgesinnten und auf freiwilliger Basis. So kommen in offenen Werkstätten Menschen unterschiedlicher Couleur zusammen, um sich frei über Produktionsweisen und -techniken auszutauschen und sich gegenseitig Hilfestellung bei der Realisierung eigener Projekte zu leisten. CBPP kann demnach als echte Alternative zu hierarchie- und marktbasierten Formen des Produzierens begriffen werden und könnte in Zukunft noch stärkere Verbreitung finden.
Erst kürzlich kamen beim durch OuiShare und OpenState organisierten Proof of Concept 21 (POC21) im Chateau Millemont bei Paris Macherinnen und Macher von verschiedenen Projekten aus dem Bereich Nachhaltigkeit in einer Art temporärer offenen Werkstatt zusammen, um für fünf Wochen miteinander zu leben und mit gegenseitiger Unterstützung intensiv an ihren Vorhaben zu arbeiten. Mit dabei waren unter anderen das finnische Projekt Showerloop, das die sofortige Wiederverwendung von Duschwasser ermöglicht, sowie das britische Projekt 30$ Wind Turbine, das Baupläne für die preisgünstige Herstellung von Windturbinen für den Hausgebrauch entwickelt. Um die Entwicklungsprozesse der jeweiligen Projekte nachdrücklich voranzutreiben, sollten während des Camps nicht nur alle nötigen Werkzeuge und Materialien bereitgestellt werden, die Teilnehmenden erhielten außerdem Hilfestellung durch verschiedenste externe Experten. Im Anschluss ist eine großangelegte Kommunikationskampagne vor und während der U.N. Klimakonferenz in Paris (COP21) geplant.
Solche Beispiele belegen das transformative Potenzial und den politischen Willen von offenen Werkstätten in Bezug auf die Realisierung einer Postwachstumsgesellschaft. Doch längst nicht alle offenen Werkstätten haben sich dem Ziel Nachhaltigkeit verschrieben. Einige Initiativen verstehen es als ihr Geschäftsmodell, die Nutzung von technischen Infrastrukturen und Wissen marktpreislich anzubieten, ohne dabei speziell auf die Nachhaltigkeit der Projekte ihrer Kunden zu achten. Offene Werkstätten per se als Postwachstumspioniere hinzustellen, wäre daher verfehlt.
Zu wünschen bleibt, dass die Nachhaltigkeitspotenziale offener Werkstätten erkannt und durch verschiedene, noch auszulotende Maßnahmen gefördert werden, etwa durch einen Stakeholder-Dialog zur Zukunft offener Werkstätten in Deutschland. Ein solcher Dialog wird derzeit vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Rahmen des Verbundsprojekts COWERK (Commons-Based Peer Production in Offenen Werkstätten) geplant und vorbereitet. Denn eines ist sicher: Offene Werkstätten haben das Potenzial, neue Wege in Richtung Nachhaltigkeit und Postwachstum aufzuzeigen. Dieses Potenzial muss nur richtig gefördert und genutzt werden.
Literatur:
Anderson, Chris. 2012. Makers: The New Industrial Revolution. New York: Crown Business.
Bauwens, Michel. 2005. „The political economy of peer production“ CTheory 1
Gershenfeld, Neil. 2007. FAB. The coming revolution on your desktop - From personal computers to personal fabrication. Basic Books.
Jackson, Tim. 2009. Prosperity without Growth: Economics for a Finite Planet. Routledge.
Kostakis, Vasilis, und Michel Bauwens. 2014. Network society and future scenarios for a collaborative economy. Palgrave Macmillan.
Paech, Niko. 2012. Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie. München: oekom verlag.
Rifkin, Jeremy. 2014. The Zero Marginal Cost Society: The Internet of Things, the Collaborative Commons, and the Eclipse of Capitalism. Palgrave Macmillan Trade.
Schmelzer, Matthias, und Alexis Passadakis. 2011. Postwachstum: Krise, ökologische Grenzen und soziale Rechte. Hamburg: VSA.
Seidl, Irmi, und Angelika Zahrnt, Hrsg. 2010. Postwachstumsgesellschaft: Konzepte für die Zukunft. Metropolis-Verlag GmbH.
Welzer, Harald, und Klaus Wiegandt. 2013. Wege aus der Wachstumsgesellschaft. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer.
Arno Simons promoviert derzeit als Soziologe an der TU Berlin und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Seine thematischen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Kollaborative Ökonomie und Umweltpolitik.