Lage einschätzen, ausprobieren, hinfallen, daraus lernen, adaptieren und gleich noch einmal in eine ergebnisoffene Schleife, in der unsere Kreativität erwacht. Das macht ein Spiel aus. Der Mensch spielt – er hat es schon immer getan. Nur haben wir irgendwann vergessen, wie sehr uns dieses ergebnisoffene Herantasten an die Welt in unserer Entwicklung nach vorne gebracht hat. Unser Spieltrieb, die Urkraft unserer intrinsischen Motivation, ist mit zunehmender gesellschaftlicher Integration – beginnend mit der Schule und später im Arbeitsleben – der Konformität zum Opfer gefallen. Wir wurden durch die Gesellschaft geprägt, auf welche Art und Weise wir Lösungen für neue Herausforderungen finden. Wir lernten Lernen, indem wir das Entdecken aufgaben.
Heute ist die Lust am Spielen in Form von Brettspielen, Konsolen-Games und Co. bis ins hohe Alter gegeben. Zumeist sind wir dabei aber getrieben vom Wettkampfcharakter, dem „Besser-sein-wollen-als-andere“.
Wo Best Practices an ihre Grenzen kommen, übernimmt Playfulness das Weiterspinnen des Bestehenden
Der Charakter des wahren Spiels bleibt oft auf der Strecke. Eigentlich mag es verwundern, dass wir Erwachsenen die mächtige Herangehensweise des ergebnisoffenen Probierens, Adaptierens und Übens – also des Erlernens von Neuem auf Basis des „Anfängergeistes“ – aus unserem Portfolio der Möglichkeiten gestrichen haben. Der Begriff Anfängergeist stammt aus dem Zen-Buddhismus und beschreibt eine innere Haltung des Nicht-Wissens und Nicht-Kennens, die mit Offenheit, Neugier und einer Abwesenheit von Vorannahmen einhergeht. Untersuchungen zeigen, dass wir als Kleinkinder recht lange üben mussten, bis wir laufen konnten.
Ein Kind, das gerade laufen lernt, kommt im Schnitt auf gut 2.300 Schritte pro Stunde, was in etwa einer Strecke von 700 Metern entspricht. Dabei fällt es im Schnitt 17-mal pro Stunde hin. Bei jedem Mal lernt es, wie es nicht funktioniert, und adaptiert dies beim nächsten Versuch. Die Entwicklungspsychologin Karen Adolph und ihr Team von der New York University rechnen in ihrer Untersuchung hoch, dass ein Kleinkind in der Phase des Laufenlernens jeden Tag circa 14.000 Schritte macht und ungefähr hundertmal hinfällt. Ein recht guter Wert, wenn man bedenkt, dass wir am Arbeitsplatz niemals die Geduld und auch nicht die Erlaubnis hätten, bei ein und derselben Sache hundertmal einen Fehler zu machen. Der Unterschied zwischen dem Kleinkind und uns Erwachsenen ist, dass Kleinkinder nichts von Fehlern wissen, sondern ihrem angeborenen Lerntrieb folgen. Den Anfängergeist, den wir seit dem Tag unserer Geburt in uns tragen, haben wir soziokulturell gegen das Wissen, dass es Fehler gibt, eingetauscht.
Wie der Spieltrieb reaktiviert wird
Unternehmen müssen sich in zunehmend komplexen Umfeldern wieder darauf besinnen, dass es der angeborene Spieltrieb ist, der uns dazu bringt, etwas Hochkomplexes wie das Laufen selbst zu erlernen, und zwar in dem Ausmaß, dass es Teil unseres Unterbewusstseins wird. Es gilt, die Innovations-Schleife aus
- Probieren = ergebnisoffenes Herantasten
- Hinfallen = Fortschrittsanalyse
- Innehalten = reflektieren
- Adaptieren = entscheiden, es das nächste Mal anders zu machen
- Üben = so lange weitermachen, bis es geschafft ist
zu reaktivieren, da Organisationen mit klassischem Management und der Umsetzung von Fragestellungen die Komplexität der heutigen Netzwerkgesellschaft nicht mehr beherrschen können.
Im Grunde geht es darum, eine neue Haltung zu erarbeiten, in der allerdings das Spiel im Sinne des englischen Begriffs Play, der das ergebnisoffene Spielen beschreibt, und nicht unbedingt im Sinne von Game (mit Zielvorgabe) bevorzugt wird. Dabei muss man aufhören, die Situation, Gedankengänge und (Zwischen-)Ergebnisse laufend zu bewerten. Beim Play gibt es de facto kein Richtig und kein Falsch, sondern nur die Erkenntnis des Fortschritts und das Feedback aus dem Versuch. Dieses Feedback sollte dazu führen, es beim nächsten Mal anders – nicht zwingend besser – zu machen. Das bewusste Nicht-Bewerten ist notwendig, um den fundamentalen Baustein der intrinsischen Lust nicht gegen ein „Ich muss“ einzutauschen.