Im Kampf um Marktanteile setzen Unternehmen zunehmend auf Gender-Glaubwürdigkeit. Das kann nur funktionieren, wenn der Fokus auf Employer Reputation liegt.
Von Robert Franken (07/2015)
Im Kampf um Marktanteile setzen Unternehmen zunehmend auf Gender-Glaubwürdigkeit. Das kann nur funktionieren, wenn der Fokus auf Employer Reputation liegt.
Von Robert Franken (07/2015)
Es gibt inzwischen zahlreiche Beispiele für das PR-Prinzip des „Greenwashing“, also für den Versuch, einem Unternehmen ein umweltbewusstes Image zu verschaffen. McDonald’s etwa positioniert sich (auch dank grünem Logo) als nachhaltiges Unternehmen und Coca-Cola strebt mit der „Coke life“ nach mehr grüner Glaubwürdigkeit. Greenwashing geht häufig auch in suggerierte Unternehmensveranwortung oder Nachhaltigkeit über. So macht die Rügenwalder Mühle mittlerweile mehr Umsatz mit veganem Brotbelag als mit herkömmlichen Wurstprodukten. Und sogar der Einzelhändler LIDL thematisiert Lebensmittelqualität als vermeintliche Grundlage seines unternehmerischen Schaffens.
Seitdem Unternehmen Nachhaltigkeit als Marketinginstrument für sich entdeckt haben, wittern Agenturen und Dienstleister neue Umsatzpotenziale. Sinn und Zweck des Versuchs, sich als Unternehmen mittels Kampagne, also durch Employer Branding, ein neues Positivimage zu erkaufen, ist die ständige Suche nach neuen Differenzierungsmerkmalen gegenüber dem Wettbewerb. Die Kategorien Preis und Qualität sind in diesem Zusammenhang mittlerweile Standard und bergen kein Unterscheidungspotenzial mehr. Nachhaltigkeit hingegen war sehr lange ein recht guter Hebel im Kampf um Marktanteile.
Doch irgendwann droht auch der beste Hebel abzunutzen, Nachhaltigkeit ist bereits auf dem Weg, zum bloßen Hygienefaktor zu werden: Man muss das Thema bedienen, aber wirklich entscheidend es längst nicht mehr. Wenn aber selbst Nachhaltigkeit zur Commodity wird, womit können sich Unternehmen künftig medienwirksam von Wettbewerbern absetzen? Hier lohnt wie stets der Blick in die Medien. Welche Themen sind derzeit en vogue, wofür werden Unternehmen und Unternehmer (noch) kritisiert? Wo könnte man das eigene Unternehmen als Vorreiter positionieren?
Zweifellos hat das Thema Frauen medial und gesellschaftlich Hochkonjunktur; wahlweise auch das Thema Mütter. Die Kontexte sind mannigfaltig und reichen von gläsernen Decken und eingefrorenen Eizellen über Gender Pay Gap oder mangelnde Vereinbarkeit bis hin zu Debatten-gewordenen Hashtags wie #regrettingmotherhood oder #aufschrei.
Sehr viele Firmenchefs haben inzwischen erkannt (oder wurden von ihrer Unternehmenskommunikation darauf hingewiesen), dass die Förderung von Mitarbeiterinnen hervorragend in der Außendarstellung wirkt. Sie werden also ihrerseits nicht müde zu betonen, dass gerade dieses Thema eine Herzensangelegenheit für sie sei und sie sich mit all ihrer Kraft für eine entsprechende Unternehmenskultur einsetzen würden. Aus der Perspektive der Human Resources muss sich das wie eine Steilvorlage fürs Employer Branding anhören. Was läge näher als sich die Antizipation der Vereinbarkeits-Problematik und deren Teillösungsansätze auf die Unternehmensfahnen zu schreiben? Schnell noch die CSR-Abteilung und den Vorstand ins Boot geholt nach dem Motto „Da müssen wir dabei sein!“ - fertig ist das neue Konzept für ein positives Firmen-Image.
Doch in Zeiten völlig neuer Anforderungen an Unternehmenskulturen – (nicht nur) durch die Generation der Millennials – kann Feigenblatt-PR schnell zum Bumerang werden. Eine nie gekannte Transparenz und Unmittelbarkeit durch Social Media verstärkt die Problematik zudem. Frauenförderung ohne ehrliche Unterstützung oder Veränderung von Strukturen bzw. reine Kampagnenorientierung mit Blick auf Employer Branding wird früher oder später als „Purplewashing“ entlarvt werden. Der Image-Schaden ist immens, wenn die Geschichten, die aus jenen Unternehmen nach außen dringen, ein ganz anderes Bild zeichnen, als dies von der Unternehmenskommunikation geplant war. Und sie werden nach außen dringen.
Der einzige Ausweg aus der Gefahr, sich in oberflächlicher Unternehmens-PR zu verlieren, ist eine Orientierung an Werten und deren kompromisslose Förderung und Einforderung. So lange Frauenförderung nur Image ist, so lange Vorgesetzte sich wie die Axt im Walde benehmen dürfen, so lange Vereinbarkeit ein Lippenbekenntnis bleibt – so lange ändert sich an den Rahmenbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genau so wenig wie am nachhaltigen Image eines Unternehmens.
Und es muss sich etwas ändern. Diversity oder Vereinbarkeit sind keine Marketing-Buzzwords, sondern in Zeiten von Fachkräftemangel, digitaler Transformation und großer gesellschaftlicher Umwälzungen durch die Veränderung von Geschlechterrollen grundlegende Bausteine von Unternehmensstrategien. Eine Werteorientierung ist erst dann nachhaltig sichergestellt, wenn sich Unternehmensführung, Fachabteilungen und HR am Prinzip der Employer Reputation orientieren, statt kurzfristig Budgets für mehr oder weniger leicht zu durchschauende Employer Branding Kampagnen zu allokieren.
Dazu gehört auch, dass Offenheit und Authentizität zu Grundprinzipien unternehmerischern Handels erklärt werden. Firmenlenker, HR-Verantwortliche und Fachkräfte sollten sich an gesellschaftlichen Debatten beteiligen. Den Sozialen Medien kommt hierbei enorme Bedeutung zu. Erst wenn Verbraucher, Bewerber oder Medien die Stakeholder als glaubwürdige Instanzen in unterschiedlichen Kanälen erleben, ist der Weg frei für erfolgreiche Employer Reputation.
Natürlich besteht vielfach die Gefahr, dass manche Ansätze mangels geeigneter KPI bereits im Ansatz scheitern. Doch Employer Reputation als Ziel von Maßnahmen hin zu besserer Vereinbarkeit, gegen Diskriminierung und für heterogene Teams ist nur langfristig messbar. Umgekehrt bedeutet dies: Für Unternehmen, die diese gesamtgesellschaftlichen Trends verpassen, kann der Zeitpunkt, an dem Zahlen die Annahmen schließlich stützen, bereits erheblich zu spät sein.
Robert Franken bezeichnet sich als "Digitaler Potenzialentfalter" und Feminist. Der Experte für digitale Transformation war zehn Jahre für urbia.de tätig, davon sechs Jahre als Vorstand. Anschließend führte er die Food-Plattform Chefkoch.de. Aktuell arbeitet er als Chief Digital Officer von Luna media. Franken engagiert sich als Beirat von PANDA, dem Karrierewettbewerb für weibliche Führungskräfte, und schreibt in seinem Blog „Digitale Tanzformation“ über gesellschaftliche Aspekte des digitalen Wandels.