Soziologin Prof. Dr. Paula-Irene Villa spricht im Interview über den Wandel der Statussymbole und die veränderte Wahrnehmung des Körpers als Ausdruck eines inneren Willens.
„Selbstoptimierung ist die Status-Zauberchiffre“

Trend Update: Frau Villa, einige Statussymbole wie Autos, Uhren, aber auch die klassische Karriere, haben ausgedient. Welche weiteren Statussymbole werden Ihrer Meinung nach obsolet?
Prof. Paula-Irene Villa: Ich teile die Einschätzung nicht, dass die genannten Symbole ganz ausgedient hätten. Ausgedient haben unter Umständen verschiedene analoge Geräte, insbesonders Füller oder teure Papiere (etwa mit Gravuren), ebenso wie tierische Produkte, beispielsweise Felle, Pelze, Geweihe und Leder.
Bei Statussymbolen ging es bislang um Auszeichnung durch Macht, Kontrolle und Leistung. Gelten diese Normen noch?
Kontrolle und Leistung sind ganz sicher noch "viel wert", aber in der konkreten Ausprägung "Selbstdisziplin" und "Wille zur Grenzüberschreitung", hinsichtlich der eigenen Leistungen. Permanente (Selbst-)Optimierung ist die Zauberchiffre für Status.
"Kind bzw. Elternschaft als Statussymbol" – wie wird sich dieser Wert angesichts von Debatten wie "regretting motherhood" verändern? Rechnen Sie mit einer allgemeinen Relativierung?
Auf keinen Fall. Im Gegenteil: Kinder werden zunehmend zu einem (Status-)Projekt – möglichst kontrollierbar und output-orientiert. Eine effizient durchgeführte Optimierung des "Humankapitals Kind" und eine gelungene Projektoptimierung der eigenen (Eltern-)Biografie. Im Idealfall gibt es da nichts zu "bereuen", weil Eltern alles vorher genau überlegen, abwägen und penibel organisieren. Wer bereut, ist an der eignen Planung gescheitert – so wird man das zunehmend sehen. Das Thema "regretting motherhood" ist zum einen Negativfolie und Schreckgespenst, das die eigenen Planungsbegehren heimsucht. Zum anderen werden Erfahrungen des Scheiterns zunehmend als challenges bzw. therapeutisch gedeutet, d.h. als “Störung”, die medizinisch oder psychologisch behandelbar ist. Aber auf keinen Fall als Normalfall des Lebens.
Ist der Körper in der Masse von Symbolen, die einen sozialen Status innerhalb einer bestimmten Gruppe markieren können, wichtiger geworden?
Jein. Der Körper ist in der Moderne – und darüber hinaus – immer schon zentraler Anzeiger für personale Aspekte wie Status, Alter, Geschlecht, Klasse gewesen. Neu ist allerdings die intensivierte individuelle Responsabilisierung, also dass Menschen allein für ihre Körper verantwortlich gemacht werden. Die Sorge um und die Verkörperung von Status werden ganz auf den Willen und die subjektive Haltung des Individuums zurückgeführt.
Welche Geschichte hat der Körper als Statussymbol, und welche körperlichen Statussymbole wird es in Zukunft geben, jenseits von "materiell" korrigierenden Schönheits-OPs und dem Jugendlichkeits- und Fitness-Ideal?
In vormodernen Gesellschaften war der Körper ein "äußerlich" zugerichteter Anzeiger für ein kaum entrinnbares soziales und physiologisches Schicksal: Religion, Region, Status, Stand oder Beruf wurden körperlich (z.B. über Schmuck, Kleidung, Frisur) ebenso angezeigt wie Krankheiten oder Familienstand am Körper sichtbar waren. Hierfür gab es hinreichend klare, explizite Vorschriften und Regeln. In der Moderne – insbesondere im 19. Jahrhundert – sind diese Regeln, die sich inhaltlich zudem verändern, zunehmend in Richtung "innere Haltung" gewandert.
Die Körpergestaltung bleibt bis heute Ausdruck sozialer Zugehörigkeiten, doch wird in der Moderne zunehmend angenommen, dass jedes Individuum selbst verantwortlich für diese Zugehörigkeiten ist. Darum wird der Körper als Ausdruck eines inneren Willens oder einer individuellen Biografie gelesen, nicht mehr als rein äußerliche Hülle. In der Gegenwart hat sich diese "Ethik der Ästhetik" intensiviert. Die entsprechenden Statussysmbole sind alle Körpergestaltungen, die anzeigen, dass der/die Besitzer/in dieses Körpers über das genau richtige Maß und den dazu gehörigen Willen verfügt, dieses auch zu verkörpern: schlank, aber nicht zu dünn. Fit, aber nicht übertrainiert. Gesund, aber nicht verklemmt oder dogmatisch. Wichtig wird sein, dass man dem Körper jeweils den Willen zur Optimierung ebenso ansieht wie das Wissen um das richtige Maß.
Welche geschlechtsbezogenen Unterschiede gibt es bei Statussymbolen? Wie verändern sie sich?
Nach wie vor gibt es je männlich und weiblich kodierte Statussymbole. Die männlichen orientieren sich an der Logik des öffentlichen Raums, insbesondere durch Geld und Einfluss. Als weiblich gelten eher ästhetische und affektive Statussymbole, wie etwa Schönes und Luxuriöses. Mir scheint, dies ändert sich kaum oder nur sehr langsam. Wir sehen ja derzeit eher eine Dramatisierung der Geschlechterdifferenz im Konsum, insbesonder im Marketing.
Prof. Dr. Paula-Irene Villa ist Soziologin und Lehrstuhlinhaberin am Institut für Soziologie der LMU München. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Gender Studies, soziologische Theorien, Körpersoziologie, Sozialisations- und Subjektkonzepte sowie das Themenfeld Mütter/Väter. Sie ist Ko-Sprecherin bei ForGenderCare. Im Oktober 2015 gab sie zusammen mit Sabine Hark das Buch „Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen“ heraus.
Das Interview führte Lena Papasabbas.