„Selbstwirksamkeit spüren wollen“

Klimawandel, Ungerechtigkeit, Armut – die großen Probleme unserer Zeit lassen sich lösen, meint Norbert Kunz, Gründer der Social Impact GmbH und einer der profiliertesten Sozialunternehmer Deutschlands.

Von Norbert Kunz (07/2017)

Was macht Social Business für Sie aus?
Social Business ist eine Unterkategorie des Social Entrepreneurship. Ein Social Business will soziale Probleme lösen und sich damit am Markt bewähren. Beim Social Entrepreneurship geht es um Innovatoren, die soziale Verhältnisse ändern, dabei aber nicht über ihre Marktwirkung reden. Wir von Social Impact sehen uns als Teil der Social Entrepreneurs.

Social Businesses scheinen immer populärer zu werden. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?
Immer mehr Menschen nehmen bewusst oder auch unbewusst wahr, dass wir vor gesellschaftlichen Herausforderungen stehen, die mit den klassischen Methoden nicht zu lösen sind. Gerade die jüngere Generation teilt Werte, die sich von denen der Eltern unterscheiden. Bei der Generation Y geht es weniger darum, Vermögen anzuhäufen, als vielmehr den Sinn im eigenen Leben zu finden. Dieser Sinn kommt nicht alleine durch Geldverdienen, sondern durch soziale Verantwortungsübernahme. Der Trend geht dahin, die eigene Selbstwirksamkeit spüren zu wollen. Dies lässt sich in sozialunternehmerischen Initiativen viel besser verwirklichen, als innerhalb privatwirtschaftlicher Strukturen.

Ist das alles dann auch so sinnvoll?
In den wenigsten Fällen werden bei sozialen Startups die finanziellen Ziele erreicht. Trotzdem antworten fast 100% auf die Frage, ob sie zufrieden sind und es wieder täten, mit “Ja”. Das scheint ein Widerspruch zu sein, doch es lässt darauf schließen, dass das etwas mit Selbstwirksamkeit zu tun hat. Gleichwohl darf man nicht verkennen, dass vieles auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruht und dafür auch einiges geopfert wird. Das ist nicht anders als in anderen Unternehmen. Nur manchmal dauert die Phase länger, da man als Social Entrepreneur von der sozialen Notwendigkeit der Unternehmung überzeugt ist und nicht so schnell aufgibt.

Was sind die neuen Methoden, die es braucht?
Es ist eine Frage des Mindset. Unsere Gesellschaft funktioniert nach dem Prinzip von Adam Smith: Wenn jeder seinen Eigennutzen verfolgt, wird der gesellschaftliche Mehrwert erhöht. Wir sind getrimmt, im Wettbewerb gegen andere zu bestehen und haben gelernt, individuelle Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Neu ist, dass wir gesellschaftliche Probleme kollaborativ lösen. Wir müssen viel stärker miteinander interagieren, das kollektive „Brain“ nutzen, um Herausforderungen gerecht zu werden. Wir brauchen einen weiteren Blick, der sich nicht auf den individuellen, sondern auf den gesellschaftlichen Nutzen orientiert. Wenn uns das klar ist, und auch methodisch bewusst ist, dann spielen Technologien eine sekundäre Rolle. Die Technik, die wir benötigen, um die gesellschaftlichen Probleme der Welt zu lösen, ist schon vorhanden. Wir müssten nichts Neues erfinden.

Nun reden ja viele in Zeiten der Digitalisierung unentwegt von technologischen Innovationen zur Lösung der größten Herausforderungen der Menschheit. Wie passen soziale Innovationen in diesen Kontext?
Es ist fatal zu glauben, dass durch Digitalisierung die Probleme gelöst werden, ohne unser Mindset zu ändern. Wir müssen die Chance der Digitalisierung nutzen, um gleichzeitig die Welt gerechter zu machen. Unser Konsumverhalten muss sich verändern, denn die zentralen Probleme wie der Klimawandel, Ungerechtigkeit und Armut auf dieser Welt werden wir nicht damit lösen, dass wir alles digital machen können.

Gibt es regionale Unterschiede? Wo sind die momentanen Hotspots für Social Businesses?
Der Hotspot ist Berlin. Berlin ist unter den Top drei Städten als „Best Place to be Social Entrepreneur“ gelistet. Deutschland insgesamt dagegen steht nicht so gut da. Die Differenz zeigt, dass es offensichtlich regionale Unterschiede geben muss. In Deutschland erleben wir, dass das Angebot die Nachfrage bestimmt. Wir (Social Impact) haben an keinem Standort, an den wir bisher gegangen sind, ein Nachfrageproblem. Viele soziale Ideen können sich nicht entfalten, weil es nicht die nötigen Supportstrukturen gibt.

Was sind die zentralen Treiber hinter der Gründung eines Social Businesses?
Sinnsuche, Selbstwirksamkeit und eine eigene Mission. Es ist wichtig, sich selbst erfahren und erproben zu können. Als Startup die eigenen Ideen unternehmerisch durchzusetzen und sich damit Kompetenzen anzueignen, gesellschaftliche Anerkennung zu bekommen, sich selbst persönlich weiterzuentwickeln und das alles in einem Themenfeld, in dem eine hohe persönliche Affinität liegt. Oft ist es eine eigene biographische Erfahrung oder Betroffenheit, die dazu beiträgt, dass Leute in soziale Geschäftsfelder hineingehen. Je stärker diese Betroffenheit ist, umso engagierter, zielorientierter und nachhaltiger wirken sie.

Social Impact und seine Labs adressieren ja in erster Linie Start-ups. Wie stehen Sie zu den etablierten Unternehmen und Konzernen?
Es besteht von beiden Seiten Interesse an Kooperationen. Kleine Startups benötigen finanzielle und personelle Unterstützung sowie Know-How, das in großen Unternehmen vorhanden ist. Die großen Unternehmen können mit der Einbindung von Startups ihren Mitarbeitern ein Skill-based-Volunteering bieten. Außerdem können sie lernen, wie Innovationen entwickelt werden, was auf methodischer Ebene adaptiert werden kann. Die meisten Ressourcen, die wir brauchen, um die Welt zu verändern, sind bei Unternehmen zu finden. Es wäre daher fatal Unternehmen nicht mit in den Entwicklungsprozess einzubinden. Um die Herausforderungen wirklich anzugehen, müssen wir die Kultur in Organisationen verändern. Es braucht neue Werte im Konzernkontext. Es gibt eine andere Form des Wirtschaftens, die auf die Gesellschaft einzahlt, nicht auf den kurzfristigen Gewinn – die dafür aber auch nachhaltig funktioniert.

What’s next: Wohin entwickelt sich die ganze Social Business-Bewegung?
Die Szene wird weiter wachsen und sich ausdifferenzieren und es wird mehr Supportstrukturen geben. Ein großes Problem jedoch ist die Entwicklung der Förderung durch Investoren. Wenn wir keine intelligenten Instrumente schaffen, um Impact Investment spannender zu machen, werden wir im klassischen Kontext kein Investment mehr machen. Bezogen auf die Gesellschaft geht unser Konsumptionsniveau weit über unsere Verhältnisse hinaus und wir müssen erkennen, dass andere Dinge für das Leben wichtiger sind als unser Konsum. Wir müssen jetzt anfangen umzudenken, das Wertesystem unserer Wirtschaft zu überdenken. Zentral ist: Probleme können nicht mit den gleichen Methoden gelöst werden, aus denen sie entstanden sind.

Das Interview führte Daniel Anthes.

Über Norbert Kunz

Norbert Kunz gehört zu den profiliertesten Sozialunternehmern in Deutschland. Seit über zwanzig Jahren berät und unterstützt er Existenzgründer und hat als Mitbegründer verschiedener Organisationen maßgeblich an der Entwicklung sozialer Innovationen mitgewirkt. Seit einigen Jahren konzentriert sich der Geschäftsführer der gemeinnützigen Social Impact GmbH auf den Aufbau einer Infrastruktur für soziale Innovationen und auf die Unterstützung von Social Startups.

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