Smart Home: Wenn weniger Technologie mehr ist

Die Kosten für Wartung und Instandhaltung komplex verbauter Technik werden zur „dritten Miete“ neben Kalt- und Warmmiete. Timo Leukefeld über versteckte Kostenfallen und die Frage: Wie viel Technik brauchen wir für das Wohlgefühl beim Wohnen wirklich?

Neubauten sind heute regelrechte Technikzentren, die für Klimaschutz und Komfort gleichermaßen sorgen sollen. Ob smartes Wohnen mit komplexer Gebäudeautomatisation oder aufwändige Heizverfahren für ein effizientes Raumklima: Vom Keller bis zum Dachboden ist Technik der Taktgeber unseres modernen Wohnalltags geworden. Dabei verliert das Heizen zunehmend an Bedeutung, weil die Winter immer milder werden. Das Kühlen hingegen, das angesichts vermehrter extremer Hitzeperioden von Jahr zu Jahr wichtiger wird, verursacht dreimal so viele Kosten pro Kilowattstunde wie die Wärmeerzeugung.

Für zusätzliche Kostenfaktoren beim Haus- und Wohnungsbau hat in den vergangenen Jahren das Bestreben gesorgt, mit hochgedämmten Gebäuden und ausgefeilten Technologien den Energieverbrauch und die Betriebskosten zu senken. Denn die auf Effizienz getrimmten Gebäude benötigen kontrollierte Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Dabei gerät das Verhältnis von Aufwand und Nutzen in Schieflage. Die Kosten für Wartung und Instandhaltung der komplexen verbauten Technik werden zur „dritten Miete“ neben Kalt- und Warmmiete – und zu einer echten Budgetbelastung für die Bewohner. Künftig wird diese dritte Miete die eingesparten Energiekosten weit übertreffen. Ein starker Rebound-Effekt ist die Folge.

Hier verstecken sich die größten Kostenfallen:

  • Hohe Kosten beim Bau
    Die Gebäudetechnik ist heute einer der größten Kostentreiber beim Neubau. Wärmepumpe, Fußbodenheizung, Heizkreisverteilungen, Regler, die mit Wettervorhersage arbeiten, Warmwasserboiler und Zirkulationen schlagen bereits beim Bau eines Einfamilienhaues mit bis zu 35.000 Euro Kosten zu Buche. Die Energiekosten für Heizung und Warmwasser liegen im Betrieb später bei ungefähr 700 Euro jährlich. doch die Kosten zur Kühlung liegen pro Kilowattstunde dreimal so hoch.
  • Kurze Lebensdauer der Anlagen
    Die verbaute Haustechnik ist immer weniger langlebig, in den technischen Systemen nehmen die Sollbruchstellen zu. Während ein Heizkessel früher 50 Jahre lang hielt, gibt er heute etwa nach der Hälfte der Zeit den Geist auf. Die Widerstandsfähigkeit von Material und Maschine nimmt vielerorts ab. Notwendige Reparaturen oder Neuanschaffungen treiben entsprechend die Kosten in die Höhe.

  • Hoher Stromverbrauch für unnötigen Komfort
    Ob timergesteuerte Beleuchtung, Sensoren, die die Anwesenheit messen, automatische Bewässerungsanlagen oder der schlichte Betrieb komplexer Technologieketten – das vielbeschworene moderne Wohnen kostet mehr Strom, als mancher meint. Der Stromverbrauch für die vielen eingesetzten Geräte und Vorrichtungen kann überraschend explodieren und das Haushaltsbudget nachhaltig belasten.
  • Zunehmender Handwerkermangel
    Das Haus oder die Wohnung ist nach den neuesten gebäudetechnischen Kriterien errichtet, der Betrieb aufgenommen – doch bei der ersten notwendigen Wartung der verbauten Anlagen tut sich ein Dilemma auf: kein Handwerker ist verfügbar. Erst recht keiner, der sich mit der komplexen, zu wartenden Technik wirklich auskennt. Wir leiden über alle Branchen hinweg hierzulande unter akutem Handwerkermangel. Das führt nicht nur zu langen Wartezeiten bei Instandhaltung und Reparatur, sondern auch zu erhöhten Preisen für abgerufene Leistungen.
  • Digitalisierung der Warm- und Kaltwasserzähler
    In Deutschland werden die Zähler für den Wasserverbrauch spätestens alle sechs Jahre ausgetauscht. In keinem anderen europäischen Land gibt es ähnlich kurze Eichfristen. Mit der neuen Generation der sogenannten „Smart Meter“ soll ab 2020 das Ablesen der Verbrauchswerte digitalisiert werden. Doch die neuen digitalen Wasser- und Wärme-Ablesesysteme verursachen doppelt bis dreimal so viel Kosten wie bisher für ihre Nutzer.

Viele gute Gründe also, um innezuhalten und unsere Betrachtungsweise modernen Bauens zu überdenken. Statt die dynamischen Entwicklungen von Klima und Wetter weiter zu ignorieren und Gebäude als abgekoppelte Warmluftbehälter zu betrachten, sollten wir die Energetik und Gebäudetechnik daran anpassen.

Ebenso gilt es zu hinterfragen, wie viel Technik wir für das Wohlgefühl beim Wohnen wirklich brauchen. Weniger Aufwand, solideres Material und einfachere Verfahren könnten erheblich dazu beitragen, Kosten einzusparen und die dritte Miete zu reduzieren. Eines ist sicher: Wartungsfreiheit schenkt am Ende mehr als die freie Wahl beim Programmmodus.

Über den Autor

Prof. Dipl.-Ing. Timo Leukefeld zeigt neue Wege im Umgang mit Ressourcen und Energie auf. Seit 20 Jahren entwickelt er energieautarke Gebäude und Quartiere, die sich intelligent selbst mit Wärme, Strom und E-Mobilität aus der Sonne versorgen – und dazu passende neue Geschäftsmodelle. Weitere Infos unter timoleukefeld.de oder autarkie.team.

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

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