Antriebsmotor für einen disruptiven digitalen Wandel der globalen Finanzwelt: Wie Fintechs eine ganze Branche revolutionieren könnten – und was sie bremst.
Von Nora Geisler (02/2017)
Antriebsmotor für einen disruptiven digitalen Wandel der globalen Finanzwelt: Wie Fintechs eine ganze Branche revolutionieren könnten – und was sie bremst.
Von Nora Geisler (02/2017)
Besonders für jüngere Kunden ist es mittlerweile kaufentscheidend, ob sie auf ein Produkt oder einen Service von unterwegs aus zugreifen können. 2014 verwendeten zum ersten Mal mehr als die Hälfte aller Bundesbürger Online-Banking für Überweisungen und Kontochecks. Deutsche Banken und Sparkassen sind der steigenden Konkurrenz aus dem Internet in einigen Bereichen schlichtweg nicht gewachsen, denn die Digitalisierung der Bankgeschäfte setzt sich über nationale Grenzen hinweg. So sieht sich der deutsche Finanzsektor heute mit einer Vielzahl von neuen Startups konfrontiert, die mit günstigen Konditionen auf dem deutschen Markt Fuß fassen wollen.
Eines der wachstumsträchtigsten Modelle ist das der sogenannten Fintechs: Startups in der IT-Branche, die sich auf Finanzdienstleistungen spezialisiert haben. Sie grenzen sich von klassischen Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen nicht durch das Angebot vollkommen neuer Produkte ab, sondern vor allem dadurch, dass sie ihre Dienstleistungen mit einer sehr viel stärkeren Kundenanbindung anbieten. Horváth & Partners identifizierten in einer Studie von 2014 drei zentrale Erfolgsfaktoren, die diesen neuen Startup-Typus zu einer starken Konkurrenz für traditionelle Banken und Versicherer machen:
Die hohe Kundenorientierung äußert sich zum Beispiel dadurch, dass Dienstleistungen und Produkte online leicht verständlich erklärt und komplexe Sachverhalte einfach aufbereitet werden, um einen Online-Abschluss zu vereinfachen. Zweitens läuft der größte Teil der Prozesse in den Startup-Unternehmen vollautomatisiert ab. Dadurch ergeben sich Vorteile wie eine größere Schnelligkeit und niedrigere Preise durch geringere Personalkosten. Schließlich zeichnen sich viele Fintech-Unternehmen durch eine große Transparenz aus: Neben der Erläuterung der Produkte und Dienstleistungen findet sich zumeist auch eine klare Darstellung der für den Nutzer anfallenden Kosten und Gebühren auf den Internetseiten der Startups.
Fintech-Unternehmen sind über das gesamte Leistungsspektrum der Banken hinweg tätig. Darüber hinaus profitieren die neuen Startup-Unternehmen mit ihren innovativen und oft nachhaltigen Geschäftsmodellen seit der Finanzkrise vom Vertrauensverlust der Kunden gegenüber der Bankenbranche in Deutschland.
Dennoch ist Mobile Payment in Deutschland noch lange nicht angekommen. Im globalen Vergleich hinken die Deutschen enorm hinterher: Im Jahr 2013 betrug der Anteil der über Mobiltelefone durchgeführten Bezahlvorgänge in Tansania 65 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt, in Kenia 55 Prozent – während das favorisierte Zahlungsmittel in Deutschland immer noch das Bargeld ist. Wie aus einer aktuellen Untersuchung der GfK-Marktforschung hervorgeht, bezahlen 47 Prozent der Deutschen ihre Einkäufe am liebsten mit Bargeld. Die etablierten Banken genießen zwar nicht sehr viel Vertrauen bei den Bürgern (nur 23 Prozent laut einer Forsa-Umfrage vom Februar 2016). Sie gelten aber immer noch als sicher und so gut wie alternativlos.
Was den meisten Fintechs außerdem fehlt, ist eine Banklizenz. Dabei handelt es sich um eine behördliche Erlaubnis zum Betreiben eines Kreditinstituts oder eines bankähnlichen Unternehmens. Sie ist Pflicht und nicht leicht zu erhalten, eines der Kriterien verlangt ein Startkapital von mindestens fünf Millionen Euro. Dies ist einer der Gründe, weshalb die meisten Fintechs heute mit klassischen Banken kooperieren oder das zumindest vorhaben.
Fintechs sind also noch weit davon entfernt, die Banken abzulösen und zu zerstören – umso mehr können beide Parteien voneinander profitieren: Auf der einen Seite die disruptiven Ideen, neue Methoden wie vollautomatisierte Prozesse, kurze transparente Entscheidungswege und eine große Kundennähe; auf der anderen Seite große Expertise und Erfahrung, internationale Marktkompetenz – und vor allem: viel Kapital. Beides zusammen ergibt für die deutsche Finanzwelt weniger eine problematische Konkurrenzsituation als eine Win-win-Situation durch Kooperation.