Startups: Don’t believe the Hype

Die Startup-Kultur ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen und wird medial vermarktet. Dabei gerät der eigentliche Kern der Bewegung aus dem Blickfeld – die Bestandsaufnahme eines Insiders.

Von Daniel Cronin (01/2017)

Unsplash / Joel Beukelman / CC0

Ein Startups zu gründen ist heute so angesagt wie Anfang der 1990er-Jahre in einer Rockband zu spielen. Ich bin seit 2010 tief in der österreichischen Startup-Szene involviert, und damals war der Begriff „Startup“ nur sehr wenigen Personen geläufig. Heute sind Startups omnipräsent: TV-Shows und Journalisten berichten über sie, Vorstände börsennotierter Unternehmen schärfen ihren Mitarbeitern ein, dass man nur mit Startup-Agilität überleben könne, und jede Gründung nennt sich plötzlich „Startup“.

Es ist gut, dass etablierte Unternehmen auf uns Startupper schauen und sich auf Augenhöhe austauschen wollen, dass die Politik zunehmend die Relevanz von Startups erkennt, dass die Medien das Thema aufgreifen und es sogar TV-Shows wie „Die Höhle der Löwen“ oder in Österreich „2 Minuten 2 Millionen“ gibt, die das Thema breitenwirksam und unterhaltsam aufgreifen. Was aber zunehmend fehlt, ist der Kontext: Zwar wird der Gründergeist bis zu einem gewissen Grad geweckt, gleichzeitig jedoch werden Startups trivialisiert.

Warum gründen Menschen eigentlich? Warum scheitern Startups, und warum geben wir nie auf? Warum arbeiten wir in Coworking Spaces und sind „lean“? Und warum „pitchen“ wir scheinbar bei jeder Gelegenheit? Solche grundsätzlichen Fragen gehen im allgemeinen Hype unter. Sie sind aber unverzichtbar, um die heutige Startup-Kultur zu verstehen.

Was ist ein Startup?

Gehen wir zunächst einen Schritt zurück und fragen: Was ist eigentlich ein Startup? Lose definiert, ist es eine frühe Phase eines Unternehmens auf der Suche nach einem skalierbaren Geschäftsmodell mit hohem Wachstumspotenzial. Entscheidend ist dabei die „Phase“. Denn es geht nicht um einen Lifestyle, wie so manche mediale Perspektive vermuten lässt – dies ist lediglich eine Folge der Rahmenbedingungen, die diese Phase mit sich bringt. Deshalb ist die mittlerweile oft zitierte Startup-Kultur sowohl Mittel zum Zweck als auch Konsequenz dessen, was ein Startup ausmacht.

Motivation

Meistens geht es den Gründern darum, ein Problem zu lösen, das sie für sich selbst identifiziert haben und dann sukzessive erkannt haben, dass es auch andere Personen gibt, die ein ähnliches Problem haben. Dieses Problem ist meist zugleich Mission – und daher intrinsische Motivation. Monetäre Interessen sind nie der primäre Motivator. Wer ein Startup gründen möchte, um schnell Geld zu verdienen, wird rasch erkennen müssen, dass ein Startup alles ist, nur nicht leicht verdientes Geld.

Scheitern

Häufig wird im Zusammenhang mit Startups über die „Kultur des Scheiterns“ gesprochen. Auch hier fehlt oft der Kontext, denn es geht dabei nicht um Konkursverschleppung oder mangelnde Qualität, um Gläubigerprellung oder ums Aufgeben. Da ein Startup eine frühe Phase eines Unternehmens auf der Suche nach einem Geschäftsmodell ist, gibt es häufig keine Validierung, sodass Startups auf Hypothesen basieren. Und Hypothesen werden entweder bestätigt oder widerlegt. Insofern könnte man sagen: Scheitern ist ein inhärenter Teil des Startup-Wesens. Entscheidend ist der Mut, neue Dinge auszuprobieren, oder mit den Worten Mark Zuckerbergs: „Move fast and break things.“ Dieser Satz trifft für mich die Essenz: Es geht darum, möglichst schnell Dinge direkt am Markt beziehungsweise am Kunden auszuprobieren. Damit ist die Resonanz blitzschnell und die Fallhöhe bleibt überschaubar.

Lean

Eine Methode oder vielleicht noch viel mehr ein Grundsatz ist das Lean-Startup-Prinzip: „Build, Measure, Learn, Repeat“ ist fast schon ein Mantra – bau schnell, beobachte und messe am Markt, lerne daraus, und mache das so lange, bis die Lösung gefunden wurde. In dieser Zeit gilt es, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten.

Coworking und Open-Space

Der Hauptgrund, warum Coworking Spaces und Open-Space-Büros so beliebt bei Startups sind, liegt schlichtweg in der Kosteneffizienz und Flexibilität. Ein Tisch kann sofort angemietet und jederzeit gekündigt werden. Die Kosten sind im Vergleich zu einem eigens eingerichteten Büro sehr überschaubar – mit Lifestyle hat das wenig zu tun. Sicher, ein gewisses Netzwerk kann man in diesem Rahmen aufbauen, doch in erster Linie ist das Arbeiten in Coworking Spaces und Open-Space-Büros eines: mühsam. Es ist laut, unruhig, man kann kaum ungestört telefonieren – aber es ist kosteneffizient. Und letztlich ist es nur für eine Phase angedacht: die Startup-Phase. Sobald das Startup läuft, wird ein eigenes Büro gesucht. Große Konzerne, die für ihre Mitarbeiter das Open-Space-Prinzip übernehmen, blenden diesen Kontext häufig aus.

Pitchen

Pitchen ist integraler Teil des Startup-Lebens, doch auch hier ist der Kontext zentral. Denn Startups pitchen nicht, weil sie Spaß daran haben oder besonders unterhaltsam sein wollen, sondern schlichtweg, um sich Gehör zu verschaffen. In einer frühen Phase interessieren sich weder potenzielle Kunden noch potenzielle Investoren für unbekannte Ideen und Teams. Deshalb gilt es, bei jeder Gelegenheit das eigene Startup zu pitchen, bis sich der gewünschte Erfolg eingestellt hat und Kunden, Investoren und/oder Medien zuhören. Aber: Anders als es gewisse TV-Formate vermuten lassen, ist es mit einem erfolgreichen Pitch nicht getan – das ist erst der Anfang. Beim Pitch geht es nur darum, das Interesse des Gegenübers zu wecken, den Fuß in die Tür zu bekommen, um nachher in Ruhe reden zu können. Ob sich daraus dann eine feste Verbindung ergibt, steht zu diesem Zeitpunkt noch in den Sternen.

Investment

Wenn wieder einmal berichtet wird, dass ein Startup eine halbe Million Euro Investment erhalten habe, scheint das zunächst unfassbar viel Geld. Doch ein Investment ist kein Geschenk – und eine Summe von „500k“, wie es gerne in der Szene genannt wird, ist für ein Startup mit 10 Mitarbeitern nicht viel Geld. Ein Investment kauft Zeit oder Zugang zu Marketing, Technologie etc., doch es bedeutet noch lange nicht, dass es die Gründer bereichert.

Bewertung

Hat ein Startup bereits Kunden und Umsätze und vielleicht schon die eine oder andere Finanzierungsrunde hinter sich, dann ist eine Bewertung greifbar. Bei einem frühphasigen Startup ist eine Bewertung aber meist reine Auslegungssache. Medienberichte über unfassbar hohe Startup-Bewertungen legen den Trugschluss nahe: Die Gründer sind jetzt reich! Wirklich reich sind sie jedoch erst einmal nur an Vertrauen durch Investoren und – möglicherweise – Kunden.

Fazit: Die Vision zählt

So sehr ich mich über die Aufmerksamkeit freue, die Startups und die Gründerszene derzeit erhalten: Damit entsteht auch zunehmend eine Erwartungshaltung, die suggeriert, dass es bei Startups um Lifestyle und schnelles Geld gehe. Das stimmt aus meiner Erfahrung nicht. Vielmehr geht es bei Startups immer – auch – darum, den eigenen Traum zu leben. Diese Vision, diese intrinsische Motivation lässt einen auch einen Lebensstil aushalten, der nicht immer angenehm ist. Auch deshalb ist die entscheidende Erkenntnis, dass ein Startup immer nur eine Phase ist, in der es darum geht, die zu Grunde liegende Hypothese zu validieren. Das Beiprodukt dieser Validierung ist Erfahrung – und möglicherweise auch viel mehr.

Über den Autor

Foto: Lisa-Maria Trauer

Daniel Cronin ist ein leidenschaftlicher Entrepreneur, Universitätslektor, Moderator und Keynote Speaker. Er ist Gründungsmitglied der Mobile-Agentur all about apps, Co-Founder und Vorstandsmitglied von AustrianStartups, Co-Founder der Crowdinvesting-Plattform primeCrowd und Advisor ausgewählter Startups. Außerdem ist er Vorstandsmitglied der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft WWG und Member des österreichischen Accelerators startup300. Cronin moderiert Veranstaltungen zu Startup-Themen, u.a. das Pioneers-Festival und die erste Staffel der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“. „The Pitch Professor“, wie er auch genannt wird, ist mittlerweile einer der gefragtesten Experten und Trainer zum Thema Pitching.

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