Die Bewegung der Nachhaltigkeit ist erwachsen geworden. Mit zunehmender Ausdifferenzierung rückt auch das Konzept der Authentizität stärker in den Fokus.
Authentizität ist die neue Nachhaltigkeit
In der Begrifflichkeit der Nachhaltigkeit haben sich in den vergangenen Jahren viele Dinge geändert. Wir bemessen der Einmaligkeit von Orten, letzten Inseln unberührter Natur oder der Faszination für die Kräfte der Natur einen neuen Wert bei, und immer mehr rückt der Mensch sowie die weltweite kulturelle Heterogenität in den Vordergrund. In vielen Bereichen ist ökologisches Denken und Handeln zur Selbstverständlichkeit geworden.
Dieser positive Trend resultiert in starken Veränderungen. Einerseits soll Nachhaltigkeit wieder mehr Spaß machen, „Shaming“ und Betroffenheit sind nicht mehr erwünscht. Andererseits entstehen die ersten “Demanding Brands”, die von den Kunden mehr als das Wir sehen ein Ende der Non-Profit-Sustainability Übliche verlangen. Und schließlich sehen wir ein Ende der Non-Profit-Sustainability. Echte Nachhaltigkeit kann langfristig nur funktionieren, wenn sie auch wirtschaftlich gedacht wird.
Eine Grundkomponente, die all diese Entwicklungen gemeinsam haben, ist die Suche nach Authentizität in der Nachhaltigkeit. Man will die Resultate sehen und erleben können. Das sogenannte ‚Greenwashing‘, die Suggestion scheinbarer Umweltverträglichkeit, ist in unserer hochvernetzten Informationsgesellschaft gefährlich geworden. Einige von vielen Best Practices, die diesen Trend belegen:
- Original Unverpackt Berlin: Tante Emma Reloaded. Original Unverpackt wird voraussichtlich Ende 2014 in Berlin eröffnet. Es handelt sich um einen Laden, in dem man Lebensmittel unverpackt kaufen kann. Der Kunde muss seine eigenen Gefäße mitbringen und kann genau die Menge eines Produktes kaufen, die er benötigt.
- Karma Chakhs: Fairer Fußabdruck. Karma Chakhs von Van Bo Le-Mentzel folgen dem Wunsch nach einem ausgewogenen Leben mit gutem Karma. Die Entwicklung des Fair-Trade-Schuhs wurde durch Crowdfunding finanziert. Jeder Unterstützer bezahlt seinen eigenen Karma Chakh – es ist also eine Art Do-it-yourself-Projekt. Die Produktion ohne Umweltbelastung und Kinderarbeit hat kein kommerzielles Ziel, sondern es geht um die Herstellung der Schuhe für den Eigenbedarf in einer Produktionsgemeinschaft. Inzwischen ging die Produktion des Gutes-Gewissen-Schuhs bereits in eine zweite Crowdfunding-Runde.
- Ningbo-Museum: Kulturelles Upcycling. Wang Shu, Pritzker-Preisträger von 2012, ist bekannt dafür, Materialien von abgerissenen Gebäuden zu verwenden. Die Fassade des Museums im chinesischen Ningbo ist ein Patchwork unterschiedlicher Trümmersteine und -ziegel, die wiederverwendet wurden.
Ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Nachhaltigkeit in Deutschland war die Einführung der Mülltrennung. Mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden, macht das Leben mit mehreren Mülltonnen und das Auswaschen der Joghurtbecher jedoch keinen Spaß mehr. Dass Recycling Freude bereiten kann, zeigen hingegen der Trend zum Upcycling sowie die steigende Beliebtheit von Repair-Cafés. Weltweit existieren bereits über 400 Repair-Cafés, 50 davon in Deutschland. Reparieren statt Wegwerfen, lautet das Motto. Wer möchte, kann sich in zahlreichen Kursen zum ‚Self-Recycler‘ weiterbilden. Neben der Müllvermeidung steht das Gruppen- und Erfolgserlebnis im Mittelpunkt.
Beim Upcycling wird Abfall als Rohmaterial für neue Produkte verwendet. Im Gegensatz zum Recycling werden Produkte nicht nur wiederverwertet, sondern sie durchlaufen einen Veredelungsprozess, der sie mit einem Hauch von Einzigartigkeit und Wertigkeit versieht.
Die Berliner Fashion Week im Januar 2014 zeigte vielfach Upcycling-Produkte – ein Trend, der auch in der Architektur sichtbar wird. An diesen Beispielen wird deutlich, wie Nachhaltigkeit, ökologische Produkte und Handeln eine neue Relevanz erreichen, indem sie mit Spaß und in der Gruppe erlebt werden.
Demanding Brands
Ein Problem vieler ökologischer Produkte ist es, dass der potentielle Käufer häufig nicht mit Sicherheit weiß, ob das Produkt tatsächlich ethisch korrekt hergestellt wurde. Trotz der Möglichkeiten, individuelle Nachforschungen im Internet zu betreiben, wird Reparieren statt Wegwerfen lautet das Motto dennoch unbekannten oder neuen Produkten großes Misstrauen entgegengebracht. Der neue Trend zur “Demanding Brand” versucht einen Ausweg zu finden. Statt den Käufer oder Nutzer durch mehr Informationen zu verwirren, wird hier vom Kunden etwas gefordert. Man muss einen zusätzlichen Aufwand betreiben, der es dem Konsumenten erlaubt, die Nachhaltigkeit direkt zu erleben.
Künftig wird es immer wichtiger, Produkten eine neue Art von Relevanz zu geben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Trend der Vermarktung von authentischen Erlebnissen erweitert sich dabei von seiner Anwendung im puren Luxusbereich hinein in den Massenmarkt. Das gemeinsame und spaßbetonte Erleben von Nachhaltigkeit rückt für Konsumenten immer mehr in den Mittelpunkt. Dies betrifft Projekte im Produktbereich, aber auch Innenausstattung und Architektur.