Männlichkeit ist heilbar! Der größte Psychologenverband der Welt, die American Psychological Association, warnt in seinen Richtlinien für die Arbeit mit Jungen und Männern vor den gesundheitlichen Konsequenzen traditioneller Männlichkeit. Der Grund: Typisch maskuline Eigenschaften wie Dominanz und Konkurrenzdenken treiben Männer häufiger hinter Gitter, in Burn-out und Depressionen, ins Krankenhaus oder sogar in den Tod. Suizid ist die häufigste Todesursache von Männern unter 35. Traditionelle Männlichkeit ist psychisch schädlich, stellt die einflussreiche Organisation fest, und empfiehlt, sie bei allen männlichen Klienten zu berücksichtigen und gegebenenfalls mitzubehandeln.
Viele Frauen kennen die Folgen der typisch männlichen Sozialisation. Unter dem Begriff „toxische Männlichkeit“ werden all jene Verhaltensweisen diskutiert, die aus ihr entstehen: Männer, die unterbrechen, die zu viel Raum in der Bahn einnehmen, zu viel Redeanteil im Meeting, die nicht zuhören, ungefragt Dinge erklären, zu laut über ihre eigenen Witze lachen und genervt sind vom Gendern. Aber eben auch Männer, die belästigen, misshandeln, schlagen und vergewaltigen. In Deutschland versucht im Schnitt pro Tag ein Mann, eine Frau umzubringen. Ungefähr jeden dritten Tag gelingt es. Die meiste Gewalt von toxischen Männern trifft allerdings gar nicht Frauen. Sie trifft andere Männer.
Die Angst, kein richtiger Mann zu sein
Das größte Problem ist weniger das Männlichkeitsideal selbst, sondern die Angst davor, ihm nicht zu entsprechen. Und Angst ist eine mächtige Triebkraft menschlichen Handelns. Die Sorge, kein richtiger Mann zu sein, begleitet viele heranwachsende Männer. Die Ursache liegt in der Geschlechterhierarchie begründet: „Toxische Männlichkeit erwächst im Grunde aus der Angst vor Entmannung, die als das Schlimmste gilt, was einem Mann passieren kann“, schreibt Jack Urwin in „Boys Don’t Cry“: „Es gibt kein echtes Äquivalent dafür bei Frauen. Warum? Weil sie in der Hierarchie schon ganz unten sind. Männer fürchten Entmannung, weil sie damit ganz nach unten fallen“.