Wird die Energiewende scheitern, weil Technologien die subventioniert werden müssen noch nicht reif für den Markt sind ? Und Technologien die von "Oben" verordnet werden aufgrund einer Ideologie (Ökologismus) gegen die Marktmechanismen verstoßen? Sie sagen ja immer das eine neue Technologie mindestens um den Faktor zwei besser sein muss als die alte Technologie.
Wird die Energiewende gelingen?
Für die Prognose eines KONFLIKTS - und hier handelt es sich im Grunde um einen grundlegenden sozio-ökonomischen Konflikt, nämlich zwischen den FOSSILEN und der ERNEUERBAREN Energieformen - hat sich die Methode des amerikanischen Spieltheoretikers und Konfliktprognostikers Bueno de Mesquita bewährt. Mesquita arbeitet unter anderem für das Pentagon. Er sagt seit vielen Jahrzehnten den Ausgang von Welt-Konflikten voraus. Und seine Trefferquote ist erstaunlich hoch! So prognostizierte er etwa das Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen voraus. Und bereits vor zehn Jahren das exakte Ergebnis der Atomverhandlungen mit dem Iran.
https://www.ted.com/talks/bruce_bueno_de_mesquita_predicts_iran_s_future

Mesquitas Methode der “dynamischen Machtanalyse” funktioniert folgendermassen:
- Wir definieren alle “Spielteilnehmer” auf dem Konfliktfeld. Also alle Interessens-Gruppen, Lobbys, Institutionen, “Kulturen”, die an der gefragten Entwicklung etwas zu gewinnen oder zu verlieren haben.
- Versuchen, deren STÄRKE sowie RELATION zu ermitteln - ein Organigramm der Vernetzungen zu erstellen. Hier gehen auch Elemente der NETZWERKANALYSE mit ein.
- Wir bilden ein PROBABILISTISCHES KRÄFTEMODELL - und spielen es prognostisch in die Zukunft. Mesquita tut dies mit aufwendigen Computerprogrammen - wir können es hier einstweilen nur skizzieren
Versuchen wir also die SPIELER zu definieren und zu bewerten:
Der Staat: Der Staat hatte in der Vergangenheit in Bezug auf Energie eher eine passive Rolle, beziehungsweise eine FÖRDERUNGSROLLE für hochtechnische Lösungen wie Atomkraft (militärische Interessen oder Technologie-Vorteile für das eigene Land). Manche Staaten allerings präferierten die fossilen Rohstoffreserven im eigenen Land, um sie für Entwicklung und Umverteilung zu nutzen. In den arabischen Ländern und den Rohstoffclustern wie z-B. Russland oder Venezuela ist dies immer noch der Fall. Die Anzahl diese “Fossilstaaten” sinkt aber. Durch den Fall der Ölpreise und das Fracking sind Öl und Gas nicht mehr die zentralen Knappheitsfaktoren; der Preis ist deshalb nicht “erpressbar”. Gleichzeitig können wir davon ausgehen, dass das INTERESSE an CO2-Reduktion von Seiten des Staates MASSIV WÄCHST. Der Elmau-Gipfel und die Obama-Offensive, aber auch Entwicklungen in China deuten auf einen Paradigmenwechsel hin: Ein GLOBALER CO2-KONSENS entsteht. Damit werden auch die Karten in Sachen Energiezukunft neu gemischt.
Die Zivilgesellschaft/ die öffentliche Meinung: Besonders in den westlichen Ländern kippen die Meinungsbilder weiter in Richtung auf eine Präferenz für erneuerbare Energien. Aber auch in China ist dieser Prozess massiv feststellbar: je stärker eine gebildete Mittelschicht, desto mehr werden CO2-Argumente und Umweltfragen ernst genommen. In China ist heute der Klimawandel Nummer eins unter den Ängsten der Bevölkerung! Dabei kommt es mit steigendem Wohlstand weniger auf Preisfragen an. Preise von Energie sind ebenso “virtuell” wie bei Autos, wo ständig Leistungen gekauft werden, deren Grenznutzen fragwürdig ist (”preiswerter SUV”)..
Der Fossil-Komplex: Der Einfluss der Erdöl- und Gasproduzenten, des “fossilen Sektors” ist gewaltig. Große multinationale Konzerne, die teilweise eng mit staatlichen Interessen verflochten sind/waren, haben massive Markt-Interessen. Zu diesem Cluster muss auch die Autoindustrie gezählt werden, die sich weiterhin weitgehend am Verbrennungsmotor orientiert. In den letzten zwei Jahren gerät die fossile Energiebranche jedoch stark unter Druck, weil ihre Bemessungsgrundlagen erschüttert werden und die Wertschöpfungsmodelle zunehmend versagen. Stichwot DEINVESTITION: Man spricht heute von der “Fossil Bubble” - Investoren weltweit gehen aus Modellen heraus, die fossile Energiereserven als Betriebsvermögen rechnen. Damit werden viele Erschliessungsvorhaben wie Tiefseebohrungen nicht mehr finanzierbar.
Der erneuerbare Energie-Komplex: Die Schwäche der erneuerbaren Energie-Branche ist ihre Zersplittertheit: Viele kleine Player auf teilweise disfunktionalen Märkten. Allerdings treten neuerdings auch große, starke Marktteilnehmer auf den Plan, teilweise in Form von globalen Unternehmen im Bereich Solar/ Wind, teilweise durch Technologietransfer aus der Digitalbranche. Das eigentliche Profit-Feld der Erneuerbaren, das “Energy Grid”, benötigt jede Menge Steuerungstechnik und Speichertechnik, wird also eher von Silikon Valley aus expandieren (die größten und effektivsten Solarkraftwerke werden heute schon von Google und Apple betrieben).
Technologie-Entwicklung: Hier kann man von Skaleneffekten ausgehen: Eine Kaskade von technologischen Neuerungen findet heute rund um die erneuerbare Energie statt. Die Elektromobilität steht vor ihren ersten großen Durchbrüchen, in den Speichertechniken steht eine ganze Kaskade technischer Lösungen an (Vom Seewasser-Energiespeicher über E-to-H (Strom zu Wasserstoff) bis zu Thermotransfer-Lösungen). Auch im Bereich der nichtfossilen Produktion sind weitere Durchbrüche demnächst zu erwarten (Höhenwindkraftwerke, neue Wärmepumpensysteme, Algen-Fuel, 3rd-Generation-Biomass, CO2-Konversion, Wellen- und Gezeitenkraftwerke etc,)
Disruptionen / Wild Cards: In einem solchen Modell muss man auch System-STÖRUNGEn antizipieren, die die derzeit validen Trends in Frage stellen könne. Zwei Disruptionen sind allerdings bereits eingetreten: Die Katastrophe von Fukushima und der Durchbruch von FRACKING. Bis zu etwaigen sensationellen Durchbrüchen der Energietechnik (etwa absolut sichere, “recycelfähige Atomkraftwerke") gehen wir nicht von weiteren Sensationen aus. Auch halten wir Energieknappheiten angesichts der Überkapazitäten und der technischen Dynamik eher für unwahrscheinlich.

Dynamisches System der Energieinteressen 2014
Aus diesen Faktoren lässt sich nun ein Diagramm zeichnen, wobei die Größe der Kreise ihren Macht-Einfluss auf die Zukunft, die NÄHE der Kreise gemeinsame Interessen symbolisieren. Die Interessen des Staates an erneuerbaren Energien steigen weiter, Technologische Durchbrüche kündigen sich an, die Dominanz der Energieanbieter verstärkt sich: Es kommt zu einer KONVERGENZ der Machtinteressen.
Das heißt: Die “Energiewende” wird sich durchsetzen. Wobei wir allerdings verstehen müssen, dass es sich um einen FLUSS-PROZESS handelt: Was wir heute Energiewende nannten, wird DEMNÄCHST ganz anders aussehen, weil neue Technologien und Strukturen die “Spielkarten” verändern. .
Dynamisches System der Energieinteressen 2030
In der Fragestellung stecken allerdings einige teuflische Details. So wird unterstellt, dass erneuerbare Energien eigentlich nicht konkurrenzfähig sind. Stimmt das? Wenn man das alte (fossile) Energiesystem einfach durch Erneuerbare ERSETZEN will, kommt man natürlich immer auf Effizienz-Defizite - ein fossiles Großkraftwerk kann man nicht einfach durch Windmühlen oder Solarpanels substituieren. EIN NEUES SYSTEM LÄSST SICH NICHT MIT DEN KRITERIEN DES ALTEN SYSTEMS VERSTEHEN. Eine erneuerbare Energiestruktur geht den Weg DYNAMISCHER VERNETZUNG oder VERBUNDENER AUTARKIE. Im ENERGY GRID ist aber nicht Effizienz, sondern EFFEKTIVITÄT das entscheidende Erfolgs-Kriterium.
In seinem Buch “Intelligente Verschwendung” erläutert der Öko-Revolutionär Michael Braungart den Unterschied zwischen Effizient und EFFEKTIVITÄT: Effizienz setzt auf immer extremere, optimierte Nutzungen, Effektivität hingegen imitiert die Natur durch intelligente VERBINDUNGEN. Effektive Systeme arbeiten” verschwenderisch”, mit vielen Reserven und Querverbindungen. Und genauso wird es mit der erneuerbaren Energie sein. Wir werden demnächst so viel Strom erzeugen und speichern können, dass es auf die reine QUANTITÄT womöglich gar nicht ankommt. Im alten (fossilen) System wird jedoch immer vom quantifizierbaren Rohstoff aus gerechnet. In zwanzig jahren aber wird man womöglich den Strom umsonst bekommen, und nur für die Lagerung und Nutzung bestimmter Spitzen bezahlen (und für die Einspeisen bei Spitzenzeiten gut bezahlt werden)
Es geht um den Wandel der System-Architektur, nicht um die Substitution der alten Modelle. Wenn man auf der ”Erfüllung” des ursprünglichen Wende-Plans von 2010 beharrt, dann ist das, als würde man seinem Liebespartner vorwerfen, dass er sich im Laufe der Beziehung verändert hat. Das Alte in der Sicht des Neuen erscheint immer als Versagen! Auch die Griechenlandkrise wird sich nicht “lösen” lassen, indem eine bestimmte “Strategie” erfolgreich ist. Sondern indem sich durch Improvisation, Feedback-Prozesse und MENTALE VERÄNDERUNGEN plötzlich neue Sichtachsen und Perspektiven eröffnen. Die Welt ist im Fluss! Im Energiefluss! Und letzendes entscheidet NEUES DENKEN über den Erfolg!
Literatur:
Bueno de Mesquita, The Predictioneers Game, Random House Paperbacks, 2010
Bueno des Mesquita, Predicting Politics, Ohio State University Press, 2002
Michael Braungart, Intelligente Verschwendung, The Upcycle, Oekom-Verlag 2014