Wirtschaft neu lehren

An der kleinen Cusanus-Hochschule in Bernkastel-Kues werden seit 2014 alternative Wege im Studium der Wirtschaftswissenschaften eingeschlagen. Hier studieren 100 junge Menschen eine Kombination aus Ökonomie und Philosophie, mit Schwerpunkten wie Gesellschaftsgestaltung oder Soziale Verantwortung.

Bild: Pexels

Der Ansatz wirkt vielversprechend, denn die Suche nach anderen Formen des Wachstums jenseits der BIP-Logik braucht barrierefreies Denken und die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre. Entstanden ist die Cusanus-Hochschule aus der Kritik an der vorherrschenden Lehre in den Wirtschaftswissenschaften, wie sie an den meisten Hochschulen praktiziert wird – orientiert am dominanten Menschenbild des Homo oeconomicus und der neoklassischen Theorie, die häufig als unhinterfragte Realität und Wahrheit dargestellt wird. Hinzu kommt: Junge Ökonomen lernen meist nicht, die Theorien an der Realität zu überprüfen, so Cusanus-Vizepräsidentin und Mitgründerin Prof. Silja Graupe.

Die Cusanus-Hochschule will einen anderen Blick auf die Wirtschaftswissenschaften vermitteln: nicht normativ, sondern ergebnisoffen. Ausgehend von der Verbindung von Ökonomie und Philosophie geht es nicht nur darum, die Pluralität ökonomischer Konzepte zu vermitteln, sondern auch eine Fächerkombination anzubieten, die Studierende befähigt, die Wirtschaftswissenschaft selbst und die ihr zugrunde liegenden Ideen zu reflektieren. „Wir sind keine Träumer, sondern schaffen neue Denkräume für wichtige Gegenwartsfragen“, betont Graupe. So werde die Grundlage für ein aktives Gestalten von Wirtschaft und Gesellschaft geschaffen. Absolventen sollen aufgeklärt und ohne mentale Pfadabhängigkeiten auf die Wirtschaft blicken. Ebenfalls zentral für eine partizipativ gestaltbare Gesellschaft ist die akademische Freiheit: Wer in den Wirtschaftswissenschaften tätig ist, soll frei von den Interessen der Privatwirtschaft forschen und lehren können, mit Freiräumen für Experimente. Laut den Cusanus-Gründern ist dies an den meisten Hochschulen nicht gegeben, zu groß sei der normative Einfluss der Drittmittelgeber. Die Freiheit der Forschung und Lehre wiederzuerlangen, ist deshalb ein elementares Anliegen.

Um dies zu erreichen und langfristig zu bewahren, operiert die Hochschule im Rahmen eines besonderen Rechtskonstrukts: als unselbstständige Stiftung unter der Trägerschaft einer gemeinnützigen GmbH. Die Hochschule gehört und verwaltet sich also selbst. Dies stellt sicher, dass Financiers keinen Einfluss auf die Inhalte nehmen können. Alle Mittel für Lehre und Forschung stammen aus der GmbH. Sieht diese einen Nutzen in der Denkart, die an Cusanus-Hochschule gelehrt wird, wird die Hochschule fortbestehen. Cusanus-Kanzler Frank Vierheilig sieht das ganz pragmatisch: „Wenn die Gesellschaft uns will, dann wird es uns geben, wenn sie uns nicht will, wird es uns nicht mehr geben.“


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