Health Environment: Gesunde Städte

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Lebenswerte urbane Räume definieren sich nicht ausschließlich über die Architektur und Infrastruktur der jeweiligen Stadt: Fragen nach einer ausreichenden städtischen Bepflanzung, dem Stadtgrün, und genügend Gewässern, dem Stadtblau, sind genauso wichtig wie identitätsstiftende Gemeinschaftsprojekte, die in Stadtbezirken zu einer enormen Steigerung der Lebensenergie führen können. Auch die Anpassung der Städte an die sich rapide ändernde Bevölkerungsstruktur findet bereits in Form von Neuausrichtungen in der Infrastruktur und in den Wohnformen statt.

Die Etablierung eines gesamtgesundheitlichen Ansatzes wird künftig immer stärker dazu führen, dass inter- und transdisziplinäre Ansätze der Stadtforschung im Bereich von Umwelt und Gesundheit diskutiert und daraus neue Verbindungen geknüpft werden. Dabei sollen alle Facetten menschlicher Städte sollen künftig gesund und naturnah sein - zwei Komponenten, die gemeinhin wenig mit Urbanität verbunden werden Bedürfnisse abgedeckt werden: Anreize und Stimulation gleichermaßen wie Erholung und Rückzug, Arbeit und Identifikationsmöglichkeiten. Der urbane Lebensraum wird zu einem Umfeld, das seinen Bürgern Energie gibt, anstatt sie aufzusaugen.

Ganzheitliche Public-Health-Ansätze

Verglichen mit früheren Zeiten sind unsere Städte saubere Städte. Dennoch wird die Debatte über gesundes Leben in der Stadt so hitzig geführt wie nie zuvor. Das illustriert den Einfluss des Megatrends Gesundheit: Immer mehr Menschen wollen nicht mehr nur nicht krank, sondern fit sein. Auf der permanenten Suche nach Kraftquellen sind die Ansprüche an die Lebensqualität in den Städten enorm gestiegen. Ziel der Bewohner ist immer öfter eine Gesamtgesundheit, die über die ständige Selbstoptimierung erreicht und gehalten werden soll. Das muss auch das Umfeld unterstützen. Klare Aufgaben also für die Planung. Künftige Ansätze für „Public Health“-Maßnahmen müssen übergreifend konstruiert werden: Kommunen arbeiten verstärkt mit Organisationen im Gesundheitssystem, aber auch mit Politikern jeder Ebene und Städteplanern zusammen, um ein umfassend gesundheitsförderndes Umfeld zu schaffen. Zu baulichen gesellen sich „psychologische“ Maßnahmen, um die Gesundheit der Bevölkerung gesamtheitlich zu verbessern.

Es geht also nicht mehr nur um Luftverschmutzung oder radioaktive Strahlung in Städten, sondern um die Gesamtheit der Faktoren, die Lebensqualität in Städten negativ beeinflussen können. So ist das „Grün der Natur“ als gesunder Gegenpol zur grauen, hektischen Stadt im kollektiven Bewusstsein verankert – und doch kann falsche Begrünung die Luft mehr „verschmutzen“, als es in Betonvierteln ohne Grünflächen der Fall ist. Thomas Leo Ogren, Gartenbaukünstler und Pionier der allergiefreien Begrünung, beschreibt in seinem Buch „Allergy-Free Gardening“, wie negativ ein einzelner, hoch allergieauslösender Baum die Luftqualität beeinflussen kann. Ogren will das Bewusstsein für eine allergiefreie Begrünung in den Städten sensibilisieren. Da immer häufiger eine üppige Vegetation mit urbaner Architektur verknüpft wird, ist dieses Bewusstsein künftig elementar. Der „Bosco Verticale“ des italienischen Architekturbüros Boeri Studio zeigt den unaufhaltsamen Trend der „Naturalisierung“ der Metropolen.

Neudefinition der “Grünen Stadt”

Städtespezifische Projekte wie das amerikanische „Designing healthy communities“ forcieren neue Maßnahmen und psychologische Strategien, um Menschen anzuregen, einen gesünderen Lebensstil zu führen. Sport und Bewegung werden schon seit langem über Sportplätze im öffentlichen Raum gefördert. Dass dieser öffentliche Raum dabei ansprechend gestaltet und sicher sein muss, ist dagegen wenig beachtet worden. Dabei ist dies für den Einzelnen elementar für seine Aneignung des Raums. Das „National Institute of Health“ hat einen direkten Zusammenhang zwischen Übergewicht und einem sozial schwachen Viertel festgestellt. Die Begründung: Wenn bereits der Gehweg, die Parks und die gesamte Umgebung ungepflegt und unsicher sind, hält sich niemand länger als nötig auf der Straße auf, mit Bewegungsmangel als direkter Folge.

Städte werden in Zukunft auch die Ernährungsgewohnheiten ihrer Bewohner positiv beeinflussen. Die Metapher einer „grünen“ Stadt wird in diesem Zusammenhang neu interpretiert. Denn Städte sollen künftig zwei Komponenten vereinen, die gemeinhin wenig mit Urbanität in Verbindung gebracht werden: Sie sollen gesund und naturnah sein. Neben stadtplanerischen Ansätzen spielt hierbei auch bereits eine „Graswurzelbewegung“ im wahrsten Sinne des Wortes eine Rolle. In urbanen Umfeldern etabliert sich derzeit der Ansatz des Urban Gardening mit der Ausführung einer ökologisch angepassten Produktionsweise als neue urbane Dimension der gesunden Ernährung. Im Gegensatz zur industriellen, monokulturlastigen Landwirtschaft mit hohem Chemieeinsatz führen urbane Gärten aufgrund der Mischung verschiedener Kulturen innerhalb eines Gartens nicht nur zu einer größeren Biodiversität. Die Stadt-Gärtner verzichten zudem auch meist auf den Einsatz von Dünger, verbrauchen aufgrund arbeitsintensiver Vorgehensweise weniger Fläche und Wasser pro Produktionseinheit und greifen auf organischen Abfall zurück, der in den Städten dieser Welt in großen Mengen verfügbar ist.

Da das Thema Stadtgesundheit noch sehr neu ist, sollen Guidelines Planern, Designern und Architekten dabei helfen, die Umgebung in Städten lebenswerter und gastfreundlicher zu gestalten. Die New York City Active Design Guidelines beispielsweise listen Stufen und Verbindungsbrücken in New York auf, die einerseits die physische Kondition der Städter fördern und andererseits auch die psychische Kondition aufrechterhalten sollen. Verbindungselemente wie Treppen und Korridore in Städten wirken dabei der sozialen Isolation des Einzelnen entgegen. Sie stärken nicht nur die Fitness, sondern auch die psychische Gesundheit der Passanten. Die Architektur-Professorin Roslyn Lindheim demonstrierte bereits in den 80er Jahren in einer gemeinsamen Studie mit dem Epidemiologen Leonard Syme, dass jene Leute anfälliger für Depressionen sind, die in keiner sinnvollen Verbindung zu sich selbst und zu ihrer Umwelt stehen.

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

Dossier: Wohnen

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