Mut zur kreativen Stadtgestaltung

Wie lassen sich innovative, offene oder partizipative Systeme für die Stadtbürger von morgen gestalten? Zukünftige Stadtplaner benötigen Mut zur dynamischen Stadtgestaltung.

Von Lars Krückeberg, Wolfram Putz, Thomas Willemeit

Fotocredit: Yvonne Winnefeld

Städte haben ihre Magnetwirkung über die Jahrhunderte ausgebaut: Während im Jahr 1800 lediglich drei Prozent der Menschen der Stadtbevölkerung zugerechnet werden konnten, lebte 2007 die Hälfte der Menschheit in Städten. Wenn Sesshaftigkeit und effizientere Landwirtschaft der Anfang der Stadt waren, so ist die Vielschichtigkeit und Gleichzeitigkeit urbaner Welten der Beginn einer neuen Stadtstruktur. Die Vereinten Nationen schätzen, dass im Jahr 2100 über 11 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben werden, 75 Prozent davon in Städten – dies entspricht etwa 7 Milliarden Stadtbürgern.

Es liegt in der Verantwortung der Stadtverwaltungen, die aktuell fortschreitende Urbanisierung nicht nur zu ermöglichen, sondern einen Weg zu finden, die Menschenströme in produktive, aktive und erfolgreiche Systeme zu lenken. Dabei sollte der Fokus nicht nur auf der infrastrukturellen Intelligenz der Ballungsräume liegen, sondern auch auf den kreativen Potenzialen und der sozialen Intelligenz. Doch wie lassen sich innovative, offene oder partizipative Systeme administrativ implementieren?

Wem gehört die Stadt?

Wie werden wir in Zukunft leben? Auf engstem Raum in ein paar hundert Megastädten wie Tokio, Mexiko-Stadt und Lagos? Oder verteilt auf 70.000 Städte mittlerer Größe mit je 100.000 Einwohnern? Schwellenländer sowie Länder der Dritten Welt, die sowohl das größte Bevölkerungswachstum als auch die dramatischsten Urbanisierungsprozesse aufgrund ökonomischer Zwänge verzeichnen, erfahren einen drastischen Zuwachs informeller Siedlungen wie Slums oder Flüchtlingsunterkünfte an der Peripherie. Darüber hinaus wird es eine Mischung aus urbanen Strukturen aller Größenordnungen, Mischformen von gewachsenen Kernen und geplanten Erweiterungen geben, insbesondere im Kontext europäischer und nordamerikanischer Städte. In allen Fällen repräsentiert die Stadt einen Mix unterschiedlicher sozialer und kultureller Gruppierungen. Ob diese in einer urbanen Megastruktur, einer separierten oder in die Höhe verdichteten Stadt beheimatet sein werden, ist dabei nicht die wichtigste Frage, sondern die ihrer administrativen Organisation: Wem gehört die Stadt von morgen? Wer schreibt ihre Regeln und wer setzt sie um?

Die neue Art der Stadtplanung „In der Stadtplanung ist daher auch Mut gefragt: Mut zur Ausnahme.“ ist dabei nicht nur Aufgabe des öffentlichen Sektors. Partner für eine Stadtentwicklungspolitik der Zukunft ist neben Vertretern der freien Wirtschaft auch die Zivilgesellschaft: Partizipative Prozesse und Teilhabe an der konkreten gebauten Umwelt können, insofern sie organisiert und transparent stattfinden, die Demokratie vor Ort stärken. Einzelne Städte gehen bereits heute neue Partnerschaften mit ihren Nachbarstädten ein. In der Stadtplanung ist daher auch Mut gefragt: Mut zur Ausnahme. Die kommunalen Planungsinstrumente, wie auch die informellen Instrumente und Verfahren, lassen gewisse Spielräume zu, die es zu nutzen gilt.

Bereits heute ist zu beobachten, dass Stadt und Land, reiche und arme Regionen gleichermaßen eine starke Identifikation mit dem Geburts- oder Wohnort verbindet. Dabei wird die nationale Identität immer mehr von der regionalen Identität ersetzt. Und wer sich mit seinem Lebensraum identifiziert, partizipiert auch an seiner Entwicklung. Partizipative Projekte können beispielsweise Freiflächen zur offenen Gestaltung und Bewirtschaftung sein, wie das Gartenprojekt Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.

Creative City Making

Ein zentrales Element in der Außenwahrnehmung, aber auch hinsichtlich des Innovationspotenzials von Städten sind kreative Industrien. Urbane Kreativität lässt sich aber nur schaffen und erhalten, indem Veränderung als ein dynamischer Prozess verstanden wird – und eben nicht im Sinne einer Wandlung mit festgelegtem Ziel. Diese Dynamiken zu unterstützen und zu steuern ist sowohl in den schnell wachsenden Megastädten Afrikas und Asiens essenziell, als auch in den kleinen und mittelgroßen Städten und Metropolen des globalisierten Nordens. Neben der Schaffung designierter Innovationsbereiche, wie Start-up Hubs oder Mittelstandsförderung, muss urbane Kreativität auch in der Verwaltung angewendet werden. Dies ist nur dann möglich, wenn von Seiten der öffentlichen Hand starre Vergaberichtlinien aufgeweicht werden, um kreative und unternehmerische Spielräume zuzulassen.

Dieser Text ist ein Auszug aus der Trendstudie „Futopolis

Dieser Artikel ist in folgenden Dossiers erschienen:

Megatrend Urbanisierung

Megatrend Urbanisierung

Immer mehr Menschen leben weltweit in Städten und machen sie zu den wichtigsten Lebensräumen der Zukunft. Städte sind mehr als Orte – sie sind hyperkomplexe, dynamische Systeme, wichtige Problemlöser globaler Herausforderungen, kreative Zentren der pluralistischen Gesellschaft, Knotenpunkte der globalisierten Wirtschaft und zunehmend auch mächtige politische Akteure.

 

Folgende Menschen haben mit dem Thema dieses Artikels zu tun:

Lars Krückeberg

Er ist Experte für nachhaltige Architektur, neue Mobilitäts-Infrastrukturen und die Magie wandelbarer Orte. Lars Krückeberg ist einer der drei Gründungspartner des renommierten Design- und Architekturbüros GRAFT.

Wolfram Putz

Er ist Experte für nachhaltige Architektur, neue Mobilitäts-Infrastrukturen und die Magie wandelbarer Orte. Wolfram Putz ist einer der drei Gründungspartner des renommierten Design- und Architekturbüros GRAFT.

Thomas Willemeit

Er ist Experte für nachhaltige Architektur, neue Mobilitäts-Infrastrukturen und die Magie wandelbarer Orte. Thomas Willemeit ist einer der drei Gründungspartner des renommierten Design- und Architekturbüros GRAFT.