Anstrengender Optimismus

Zukunftsforscher Matthias Horx über seinen melancholischen Possibilismus. Ein Plädoyer für eine konstruktive Zukunfts-Haltung.

Quelle: Trend Update

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„DARF man gegenüber der Zukunft optimistisch sein???“ Diese Frage wird mir immer wieder exakt so gestellt: Als ob es sich um normative Moralgebote, Glaubensfragen und kategorische Imperative handelte. Aber genau so ist es: Hinter Haltungen wie Optimismus und Pessimismus verbergen sich in Wahrheit fundamentale ethische Grundfragen.

Hinter den „Tschaka“-Übungen der Motivationstrainer („Alles wird gut, wenn dein MIND es will!“) verbirgt sich in Wahrheit Verzweiflung, die man mit Größenfantasien kompensiert. Hierzulande weitverbreitet ist auch jene paranoid-apokalyptische Wellness, in der man sich gemütlich im Untergangsgefühl einrichtet: Am Ende ist es die pessimistische Angst selbst, die das Böse schafft Die Welt geht den Bach herunter, aber a) haben wir es ja immer schon gewusst, b) geschieht das der Welt ganz recht so und c) waren die Amerikaner sowieso nie auf dem Mond.

  • Konstruktiver Pessimismus: Zwischen diesen Abgründen gibt es jedoch noch andere Möglichkeiten, mit dem urmenschlichen Dilemma von Hoffnung und Furcht umzugehen. Eine davon ist „gerüstete Achtsamkeit“, die das Schlechte für möglich, aber nicht für absolut hält. Chris Hadfield, der kanadische Astronaut, schreibt in seinem Buch „Anleitung zur Schwerelosigkeit“: „Mein Optimismus ... beruht nicht auf dem Glauben, mehr Glück zu haben als andere, auch nicht darauf, dass ich Erfolge imaginiere. Er ist die Folge davon, dass ich mir immer wieder vorgestellt habe, zu scheitern – und dann überlegt habe, wie ich das vermeiden kann.“
  • Verantwortlicher Optimismus: Die Philosophin Sandra Richter formulierte in ihrem Werk „Lob des Optimismus“ den Kern einer konstruktiv-ethischen Welthaltung: „Ein solcher Optimismus speist sich aus der Einsicht, dass es uns – historisch betrachtet – gut geht, dass wir nicht lamentieren, sondern uns engagieren sollen.“ Verantwortlicher Optimismus fragt nicht nach der Berechtigung, sondern nach der Verantwortung: Ohne Optimismus gibt es keine Liebe. Keine Elternschaft. Kein Unternehmertum, keine Politik. Er verpflichtet uns, nach Lösungen zu suchen, statt uns am Negativen zu delektieren. Eine solche Welthaltung muss immer unbequem sein, anstrengend, rebellisch gegen den faulen Fatalismus des Mainstreams.

Ein melancholischer Possibilist – so möchte ich meine eigene Haltung nennen – muss sich gegen die Shitstorm-Kultur abschirmen. Mit dem Jammern aufzuhören ist ein erster großer Schritt für einen Menschen. Es wäre ein gigantischer Schritt für die Menschheit, wenn viele Menschen ihn teilen würden. Denn am Ende ist es die pessimistische Angst selbst, die das Böse schafft.

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Dossier: Zukunftsforschung

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