Zukunftsforscher Matthias Horx über eine radikal-libertäre Zukunft und Monopole als Treiber echter Innovationen
Heroischer Kreativ-Kapitalismus

Stellen wir uns vor, alles wäre ganz anders. Was wir über die Wirtschaft zu wissen meinen – über das Verhältnis zwischen Preisen, Nachfrage, Konkurrenz und Kapital – wäre schlichtweg Bullshit. Alle Ökonomen hätten sich gründlich geirrt.
Peter Thiel, einer der großen Internet-Investoren Amerikas, behauptet genau das in seinem neuen Buch „Zerotoone“. Der deutschstämmige Thiel, der PayPal gründete und früh in Facebook investierte, plädiert für ein ganz anderes Kapitalismus-Konzept: Radikal-libertär, hyperkreativ-utopisch und individualistisch bis zum Anschlag.
Stellen wir uns vor, die Konkurrenz, also der eigentliche innere Motor des Kapitalismus, wäre schlecht. Konkurrenz belebt nicht, sondern zerstört das Geschäft. Nur Monopole schaffen wirklich neue, radikale Innovationen. Siehe Postwesen, Eisenbahn, Konkurrenz hält vom eigentlichen Auftrag der Zukunft, nämlich der Schaffung des Neuen, der wahren Innovation ab Bankwesen im Zeitalter der Rockefellers. Siehe IBM und Apple. Konkurrenz hält vom eigentlichen Auftrag der Zukunft, nämlich der Schaffung des Neuen, der wahren Innovation ab. Diese kann immer nur ein Unikat sein, eine einmalige Neuheit, die alle Regeln neu schreibt. Konkurrenz hingegen vernichtet Kapital und Phantasie, weil Unternehmen alle immer nur gegeneinander um Marktanteile kämpfen. Eine Art mörderischer Bürgerkrieg des Ökonomischen, in dem es keine Gewinner, nur Verlierer gibt.
Das Argument ist bestechend. Befinden sich nicht die Telekommunikations-Märkte heute ebenso in einem Preiskampf-Abwärtsstrudel wie Fluggesellschaften, Unterhaltungselektronik, Nahrungsmittel-Märkte, Möbel- oder Modesektoren – schlechter Service, schlechte Qualität, allenfalls Schein-Innovationen, weil alle sich mit Zähnen und Klauen via Marketing gegenseitig ausbluten?
Thiels Vision einer Hyperinnovations-Welt ist heroisch. Und faszinierend. Seine Wirtschaftstheorie beinhaltet jene Transzendenz, die man sonst nur von revolutionären Theorien kennt. Sie verweist in Regionen, in denen es ums Ganze geht – wo Unsterblichkeit angeboten wird, oder Teleportation, oder Hotelapartments auf fremden Planeten, mindestens aber die Heilung von Krebs. Aber man spürt auch, dass Thiels Welt etwas Manisches, Zombiehaftes hat. Sie scheint aus einer tiefen Angst zu entstehen, das Entscheidende zu verpassen. Thiel hält Frauen für nicht wirklich führungsfähig, und Work-Life-Balance für Vergangenheit. Die Welt ist für ihn eine gigantische Spielwiese, aber auch ein großes Durcheinander, in das endlich kreative Ordnung gebracht werden muss. Aber wenn Thiel wieder das übliche Europa-Bashing veranstaltet, das ewige Lied vom müden, rückwärtsgewandten alten Kontinent singt, weiß man, woher der Wind weht : Aus einer ziemlich kalten Zukunft.