7 – Aliens
Wenn wir nach „draußen“ gehen, wollen wir dort „jemanden“ oder „etwas“ finden. Am besten etwas, das uns weiterhilft, transzendiert, erlöst oder wenigstens unsere Identität im All klärt – unsere evolutionäre Aufgabe. Die großen Science-Fiction-Epen, von „2001“ und „E.T.“ bis zu „Contact“, „Interstellar“ oder „Arrival“, handeln von einer (im Kern religiösen) Sehnsucht nach Erlösung. Die Begegnung mit den Außer- und Überirdischen konstruiert uns erst als „Menschheit“. Das, was auf der Erde im Umgang mit den Fremden passiert, geschieht auch in der Extrapolation der Space-Eroberung: Wir definieren uns selbst durch andere.
Was aber, wenn das Universum leer und ohne Leben ist? Wenn da nichts ist außer Stein und Geröll, endloser Leere und Strahlung? Wenn selbst im Titan-Ozean nichts gedeiht? Dann sind wir auf uns selbst verwiesen. Das muss nicht unbedingt ein Argument gegen die Expansion der Menschheit sein. Es wäre aber eine Enttäuschung, die Konsequenzen hat. Wozu der gigantische, riskante Aufwand, wenn am anderen Ende nichts und niemand auf uns wartet?
6 – Besiedelung
Erst sollen Raketen auf dem Mars landen und Geräte absetzen, die Wasser, Sauerstoff und Treibstoff aus dem Marsgestein extrahieren können. Zwei Jahre später sollen die ersten Kolonisten landen. Die Raketen sollen bis zu 100-mal wiederverwendbar sein und einen regelrechten Shuttle-Service zwischen Erde und Mars errichten, mit bis zu 40 „Auswanderern“ pro Flug. So stellt sich Elon Musk die Besiedlung des roten Planeten vor.
Aber was bedeutet es, wenn Menschen plötzlich in einer radikal lebensfeindlichen Umgebung leben? In den 1980er-Jahren gab es in der Wüste von Nevada das von einem ökobesorgten Millionär finanzierte Projekt „Terra 2“: acht Menschen, die probeweise ein hermetisch geschlossenes Habitat bewohnten. Das Experiment scheiterte einerseits an technischen Problemen – es stellte sich als enorm schwierig heraus, eine abgeschlossene Atmosphäre zu stabilisieren –, aber auch an Spannungen im Zusammenleben von acht Individualisten auf engstem Raum. T.C. Boyle machte aus dem Experiment einen aufschlussreichen Roman: „Die Terranauten“.
In der Geschichte der Eroberungen zeigt sich immer wieder das Phänomen des Kolonie-Kollers. Kolumbus’ erste Siedlung mit 36 Männern in der heutigen Dominikanischen Republik, La Navidad, war nach seiner Rückkehr verlassen und zerstört. Jamestown, die erste Siedlung von 100 Engländern auf dem nordamerikanischen Kontinent, war von Krankheiten, Hungersnöten und Konflikten heimgesucht. In der Netflix-Serie „Mars“, einem realistischen Dokudrama, geht so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Durch die depressive Paranoia eines sensiblen Professors für Treibhausernährung wird die halbe Station zerstört, mit vielen Toten.
Man stelle sich vor, 10, 20, 100 moderne Menschen leben in einer Umwelt, in der man sich nicht voneinander distanzieren kann, die ständig von Gefahren und Knappheiten erfüllt ist. Wenn wir andere Himmelskörper besiedeln, nehmen wir immer uns selbst mit. Auch unsere Sehnsucht nach Natur, Heimat und offenen Horizonten.