Die Zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts haben begonnen. Die Zeiten der Unterdrückung von Frauen sind vorbei. Auch im Bett sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Jeder kann seine Lust frei ausleben. Denn Tabus rund um Sex gibt es praktisch nicht mehr. Wir sind aufgeklärt, können über alles reden und jeder weiß, was eine Klitoris ist und was ein Kitzler und wo der Unterschied zwischen Vagina und Vulva liegt. Oder?
Viva la Vulva
Wie groß die Blind Spots in Sachen Sex eigentlich sind, führte Sophia Wallace mit ihrem Kunstprojekt „Cliteracy“ vor Augen: eine Hommage an das wenig bekannte Körperteil, dessen Stimulation für die meisten der einzige Weg zum Höhepunkt ist. Dafür verarbeitete die Künstlerin grafische Schriftelemente, wie die 100 Klitoris-Gesetze („Die Klitoris ist kein Knopf, sie ist ein Eisberg“), stellte verschiedene Installationen auf und baute sogar eine Art mechanischen Bullen: eine Klitoris, die man reiten kann.
Auch der Bestseller „Viva la Vagina“ sowie der TED-Talk der Ärztinnen Nina Brochmann und Ellen Støkken sowie zahlreiche weitere Publikationen, Workshops und Kunstprojekte setzen sich mit weiblicher Lust auseinander – als hätte man sie gerade erst entdeckt. Beziehungsweise wiederentdeckt: Denn jahrhundertelang galt es als biologische Tatsache, dass Frauen das triebgesteuerte Geschlecht sind.
„Die weibliche Sexualität ist das wohl mystischste, politischste und zugleich das neben der Tiefsee am wenigsten erforschte Thema der westlichen Gesellschaft.“ Sophia Wallace, Kunstprojekt „Cliteracy“ (2012)